Dienstag, 30. September 2008

In der Diagnose widersprechen

Wie vermutlich viele habe auch in den vergangenen Tagen viel darüber diskutiert, was denn die Qualität des „Rechtsrucks“ in Österreich sein könnte. Es gibt ja durchaus unterschiedliche Meinungen – das seien Menschen, die „Protest“ wählen und sich gar nicht dafür interessieren würden, welche Inhalte FPÖ und BZÖ vertreten. Also gewissermaßen Menschen die für eine linke Protestpartei genauso offen seien. Andere wiederum vertreten die Ansicht, es handle sich um ein genuin österreichisches Phänomen, ausgehend eigentlich von der Moskauer Deklaration 1943 und der daraufhin niemals ernsthaft erfolgten Entnazifizierung. Österreichische Obrigkeitshörigkeit ist da zu hören, latenter Rechtsextremismus, dumme WählerInnen und noch viel mehr.

Ich bin mir noch nicht ganz sicher. Klar ist – wer FPÖ gewählt hat, der konnte nicht umhin zu sehen, was auf ihren Plakaten draufstand. Wer FPÖ wählt, unterstützt also entweder ausländerfeindliche Politik oder nimmt sie zumindest in Kauf um ein anderes Ziel zu erreichen. Daran führt einfach kein Weg vorbei.

Häufig wird aber in meinen Augen darauf vergessen, welche psychische Entlastung die Wahl von FPÖ oder BZÖ anbietet. Dabei wird die Verantwortung abgegeben an jemanden anderen, der sich darum kümmert; in der Diktion von FPÖ/BZÖ „der da aufräumt.“ Und gleichzeitig mit der Abgabe der Verantwortung passiert eine Selbsterhöhung. Schließlich gibt es jetzt eine Gruppe von Menschen („die sie“) die schlechte bewertet wird als man selbst („die wir“). Dieses Spiel mit Wir- und Sie-Gruppen und die Abwertung der Sie-Gruppe beherrscht die FPÖ meisterhaft und es macht sie auch so menschenverachtend.

„Die FPÖ hat die anderen Parteien auf ihr Terrain gelockt und dort mit Erfahrung geschlagen“ hat jemand in der Analyse dieser Wahl irgendwo geschrieben. Daran ist etwas Wahres dran. „Leg dich nicht mit Idioten an. Sie ziehen dich auf ihr Niveau und schlagen dich mit Erfahrung“ heißt es ja nicht umsonst. Das ursächliche Problem aber ist, dass der Diagnose der FPÖ von vielen anderen zugestimmt wird. Und bei der Diskussion um die Lösung hat es die FPÖ dann leicht. „Ja es gibt ein Problem mit Ausländern“ ist die Diagnose, und schon gibt es Lösungsvorschläge wie mit den AusländerInnen umzugehen wäre. „Ja es gibt ein Problem im Zusammenleben von InländerInnen und AusländerInnen“ ist eine völlig andere Diagnose der selben Situation, und die Lösung wird auch entsprechend anders aussehen.

„Die Sandler und Giftler am Innsbrucker Hauptbahnhof sind das Problem“ ist die Diagnose, die wir derzeit in Innsbruck erleben. Und sie wird von Federspiel ebenso wie von FPÖ und Für Innsbruck-ÖVP getroffen. Und die Lösung muss dann natürlich mit den „Sandlern und Giftlern“ umgehen und die logische Folge sehen wir derzeit: Ein Alkoholverbot am Bahnhof, Alkoholverbot am Bozner Platz, eine Novelle der Parkordnung die das Übernachten im Park unter Strafe stellt, den Aufenthalt von Jugendlichen auf Spielplätzen und noch viele mehr. ÖVP und SPÖ haben auch hier der Diagnose zugestimmt und damit schon den ersten Kardinalfehler gemacht. In der Diagnose widersprechen würde vielleicht bedeuten: „Es ist ein Problem, dass es zu wenig Kommunikation über gegenseitige Interessen am Innsbruck Bahnhof gibt“, dann würden die Lösungsvorschläge nämlich in völlig andere Richtungen gehen. Das war jetzt ein Schnellschuss, zugegeben. Aber ich glaube der Kampf gegen den Rechtsruck wird nicht nur ein Kampf um die besten Lösungen sein. Er ist vor allem ein Kampf um die richtige Diagnose. Der Kampf gegen die rechten Hetzer bedeutet: In der Diagnose widersprechen!

6 Kommentare:

IjuliaI hat gesagt…

ich stimme dir in dem punkt völlig zu, dass die art und weise der artikulation des problems einen massiven unterschied macht. leider gottes bin ich aber überzeugt davon, dass die sündenbocktheorie gerade in der unterschicht dermaßen verhaftet ist, dass diese auch die diagnose über "das problem des zusammenlebens zwischen in- und ausländerInnen" mit "wir gut - sie schlecht" beantworten würden und es summa summarum auf das selbe hinauskommt. sie lechzen förmlich auf der suche nach jenen, die noch eine stufe tiefer stehen um sich so etwas besser zu fühlen. daher bin ich überzeugt, dass das problem in summe (und daraus erklärt sich meineserachtens auch das wahlergebnis) in der ursache zu finden und zu beheben ist. wohlfühlwahlkämpfe der ÖVP sind toll, wenn sich das volk wohlfühlt. sündenbockwahlkämpfe der FP greifen nur dann, wenn man ob seiner misslichen lebenslage krampfhaft versuchen muss, jemanden zu finden, der es noch schlechter hat, sodass man sich einigermaßen mit seinem eigenen leben abfinden kann.

alles andere ist meiner meinung nach augenauswischerei.

und verzeih, aber mit der aussage: „Es ist ein Problem, dass es zu wenig Kommunikation über gegenseitige Interessen am Innsbruck Bahnhof gibt“ wirkst du etwas lächerlich. im lösungsansatz würde dies bedeuten, dass man "sandlern und giftlern" freiräume bieten sollte. ich denke, man sollte sich eher fragen, warum es in einer "weltstadt innsbruck" überhaupt so viele geben muss. Prävention und betreuung statt überwachung und verbot, aber auch statt vorgetäuschtem lösungsansatz durch änderung der diagnose.

und dennoch, ich bin davon überzeugt, vielleicht auch naiv in der hoffnung, dass nicht 30% der österreicherInnen rechte gar rechtradikale sind. je höher der lebensstandard, und ich denke, dahingehend sind wir uns einig, umso niedriger die anfälligkeit auf populistInnen (in weiterer folge auch diktatorInnen) hereinzufallen. daher gilt es diesen zu verbesser und nicht diktionen in eine andere (linke) richtung zu lenken.

baba derweil und liegrü aus mötz
julia

Anonym hat gesagt…

Meines Erachtens ist genau das der Punkt, der FPÖ/BZÖ mit diesen Parolen den nötigen Raum gibt. Ob es ein Ausländerproblem tatsächlich gibt oder nicht, sei jetzt einmal dahingestellt. Faktum ist, dass viele Wähler ein solches Ausländerproblem sehen und es als drängendes Problem empfinden und sich daher von der Politik darauf Antworten erhoffen.

Jetzt kommt der Kniff vieler Parteien: sobald die FPÖ mit diesen Parolen auftaucht, wird die FPÖ dämonisiert, ohne wirklich auf die Inhalte einzugehen. Daraus resultiert mE, dass viele FPÖ wählen, aber sagen, nicht rechts zu sein, ja auch die FPÖ nicht rechtsradikal ist - weil das sagen ja nur die anderen. Es fehlt ein völliges Bewusstsein für diese Themen. Vor allem Menschenrechtsfragen werden oft nicht von den Wählern erkannt. Wenn man sich damit nicht näher befasst, aber auch kein Wunder.

Ein Beispiel: In einer Diskussion mit einem guten Freund (Student, politisch interessiert)hab ich über den Vorschlag von BM Fekter diskutiert, straffällige Asylanten abzuschieben. Der hat sich vorher bei dem Vorschlag gar nichts böses gedacht, weil das man strafföllige abschiebt sei ja eh okay. Wenn man dann erklärt, wer Asylanten ist und was das bedeuten könnte, schaut es anders aus.

Im Wahlkampf hat VdB mE noch am ehesten gegen den Stumpfsinn vor allem Straches zu diskutieren versucht (va. Sozialversicherungsrassismus, der ja im Programm der FPÖ auch nett verpackt zu sein scheint, das viele sich dabei nichts denken). Aber ansonsten hab ich den Eindruck, dass allgemein zu gern einfach die böse FPÖ herangezogen wird, was ja zweifellos auch stimmt, aber damit kommt man nicht zu den Menschen durch, man muss die Probleme hinter diesen Fragen ansprechen.

Andererseits glaub ich auch, dass die Grünen und auch das LIF im Wahlkampf abgeschreckt haben durch das Engagement für ein Bleiberecht in Fällen wie jenen der Familie Zogaj. Da fehlt ebenso eine sachliche Argumentation und ein für den Wähler erkennbares Gesamtkonzept.

Letztendlich ist das Wahlergebnis mE ein Mix: 10 % ideologische Deutschnationale, 10 % Protest, 10 % Ausländerthema.

Anonym hat gesagt…

da ist was dran mit der diagnose. was aber, wenn es nicht die eine diagnose für ein thema gibt, sondern deren mehrere, dann geht es wieder um die macht der argumente und wer damit andere überzeugen kann. das haben und tun grüne zu wenig, zu wenig wird argumentiert, zu sehr wird postuliert.
was die blindheit der österreicher/innen für rechte argumente betrifft. seit 20 jahren haben wir politische bildung in der schule. ist wohl kein zufall dass dort jugendliche für eine solche "blindheit" anfälliger werden, wo diese bildung nicht oder nur kaum im schulplan steht (HTL, Berufsschule).
wome

Anonym hat gesagt…

zu FPÖ Königshofers NDP Vergangenheit:

Ist das wirklich DER Königshofer, der im Brotberuf "Experte für FREMDwährungskredite" ist?

Gebi Mair hat gesagt…

Das ist jedenfalls der Königshofer mit der NDP-Vergangenheit (dazu gibts hier schon ein Posting von mir: http://gebimair.blogspot.com/2008/08/der-knigstiger-knighofer.html ) - was er mit fremden Währungen zu tun hat weiß ich allerdings nicht.

Mehr schockt mich, dass er unter lautem Jubel der Anwesenden bei der Strache-Kundgebung vor der Nationalratswahl in Innsbruck allen ernstes gefordert hat, die Strafmündigkeit auf 12 zu senken...

Anonym hat gesagt…

Lieber Gebi, in Sachen der Strafmündigkeit herabzusetzen muss ich Ihnen leider Recht geben - Das ist ein totaler Stuss!

Was ich allerdings mal sagen muss, ist dass ich ihre "Hetze" gegen die FPÖ und Personen die diese Partei wählen auch nicht in Ordnung finde! ich kenne kaum einen Politiker, Jungpolitiker der so dermaßen "Hetze" betreibt wie Sie. Warum können Sie nicht so wie sie es für sich fordern "Meinungsfreiheit" gelten lassen?? Ob der Herr Königshofer eine Mailadresse hat die wie ein deutscher Panzer klingt oder der Sibirische Königstiger ist doch sowas von Sch**ss egal oder nicht??!!

Ich finds super, dass die ÖVP, SPÖ und so dermaßen an Stimmen verloren haben wie schon ewig nicht mehr! Meiner Meinung nach hätte ihre Partei ruhig auch noch einige Prozentpunkte verlieren können, weil sie sich (ihre Partei) in so vielen Sachen wiederspricht und von ihren Grundwerten entfernt hatt wie sonst keine!

Ich habe mit Stolz die FPÖ gewählt und bin sauer darüber, dass schon wieder von den roten und schwarzen eine Ausgrenzungspolitik betrieben wird!!!

lg