Donnerstag, 29. September 2011

Offenheit und Ehrlichkeit statt Korruption

Klausur mit unseren MitarbeiterInnen auf der Seegrube

Gestern ging der Landtagsklub der Tiroler Grünen auf Klausur. Dafür hatten wir uns einen Ort ausgesucht, der bei diesem wunderbaren Wetter dafür ideal geeignet war: Die Innsbrucker Seegrube. Mit dem Mountainbike zur Arbeit und dann Arbeiten auf der Sonnenterasse - das ist ein Luxus, den nicht viele Menschen für sich beanspruchen können. Schon gar nicht die Landesregierung, die vorgestern allesamt mit Dienstauto zur Regierungsklausur angereist sind.


Gebi Mair, Maria Scheiber, Christine Baur und Georg Willi
Stimmung und Arbeitsatmosphäre waren sehr gut, und wir haben den ganzen Tag über Pläne geschmiedet, wie wir vermitteln, dass die Grünen eine offene und ehrliche Partei sind. Und gleichzeitig wollen wir aufzeigen, wo es in diesem Land Korruption gibt. Dabei gab es einige interessante Ergebnisse, und alle dürfen gespannt sein, wie wir in der nächsten Zeit das Thema des Anstandes und der Ehrlichkeit in der Politik umsetzen werden. Das ist nämlich einer der Urgründe für die momentane Politikverdrossenheit vieler Menschen: Sie vermissen Anstand und Ehrlichkeit und glauben nicht, dass die Politik in Österreich da noch Selbstreinigungskräfte hat. Gemeinsam mit meinen KollegInnen Christine Baur, Maria Scheiber und Georg Willi werden wir im Landtag darstellen, wie das Geld aus der Wirtschaft derzeit in die Parteien fließt, und wie die Parteien die Wirtschaft mit dem Geld der SteuerzahlerInnen beglückt. Wir werden aber auch aufzeigen, welche Auswege es gibt, und wie eine saubere Politik aussehen könnte, die auf diesen ganzen korrupten Rucksack verzichtet.

Gebi Mair auf der Seegrube

Dienstag, 27. September 2011

Schützt Demokratie vor Misswirtschaft?

Im Osttiroler Tourismusverband erleben wir derzeit ein Finanzdebakel besonderer Qualität. Der Verband ist völlig überschuldet und nicht in der Lage, ein ordentliches Konzept für die Zukunft aufzustellen. Dabei dürfte eine Hand die andere gewaschen haben. Vorstände, Aufsichtsräte, Bankmitarbeiter und viele davon in Personalunion.

Das Hauptproblem dabei ist jedoch ein Strukturelles: Das Tiroler Tourismusgesetz ist undemokratisch. Da gibt es nämlich sogenannte Stimmklassen in der Hauptversammlung. Das bedeutet, dass nicht einfach jede Stimme gleich viel wert ist, sondern dass es wertvollerere und weniger wertvolle gibt. Die wertvollen Stimmen machen dann immer alles unter einander aus. Das sind: die Hoteliers und Liftbetreiber. Und das, obwohl die Tourismusabgabe von allen InhaberInnen von Gewerbescheinen bezahlt wird, also beispielsweise auch wenn jemand ein Musikinstrumentenbauer ist und sonst mit dem Tourismus nur wenig zu tun hat.

Wenn es eine demokratische Hauptversammlung in den Tourismusverbänden gäbe, dann würden nicht immer nur die gleichen paar Menschen in den Vorständen und Aufsichtsräten sitzen. Und noch wichtiger: Wenn die Hauptversammlung die Budgethoheit hätte, dann würde so manches finanzielles Abenteuer nicht eingegangen. Und auch der Osttiroler Tourismusverban wäre damit vielleicht noch flüssig. Schützt die Demokratie vor der Misswirtschaft? In den Tourismusverbänden wäre es jedenfalls einen Versuch wert.

Ich habe einen entsprechenden Antrag im Landtag eingebracht, nächste Woche wird er behandelt.

Montag, 26. September 2011

So bunt wie Innsbruck

Die ersten 18 Plätze der Liste der Innsbrucker Grünen, angeführt von Spitzenkandidatin Sonja Pitscheider
Am Samstag haben die Mitglieder der Innsbrucker Grünen die KandidatInnenliste für die Gemeinderatswahl 2012 gewählt. Wie immer ist die Zeit vor so einer Listenwahl eine Zeit besonderer Hektik, und man weiß vorher nie, was nachher passiert. Wir Grüne unterscheiden uns ja unter anderem dadurch von den anderen Parteien, dass nicht ein Vorstand entscheidet, wer kandidieren darf, sondern die Mitglieder. Die Idee dahinter ist, dass eine breite Basis statistisch gesehen immer die richtigere Entscheidung trifft als ein kleiner Vorstand. Häufig bewahrheitet sich das auch. Die Basisdemokratie ist eines der Grünen Grundprinzipien, und die Tatsache, dass die anstrengend ist und dazu führt, dass nicht alles steuerbar ist, wie sich das politische BeraterInnen manchmal wünschen würden, nehmen wir dafür gerne in Kauf.

So war es auch dieses Mal: So manche Steuerungsversuche von innen und außen sind schief gegangen, andere haben funktioniert. Eine lange Sitzung mit offenen Diskussionen, Redebeiträgen von Mitgliedern und Nichtmitgliedern. Eine Liste, von denen ich mit meiner Stimme manche KandidatInnen gewählt habe und andere wiederum nicht - auch Landtagsabgeordnete haben zu Recht nur eine Stimme - herausgekommen ist die aus Sicht der Mitglieder bestmögliche Liste der Grünen. Ich würde meinen: Sie ist so bunt wie Innsbruck, und das ist spannend für die kommende Wahl. Jetzt geht es jedenfalls ans Teambuilding, damit alle KandidatInnen, die von der Wahlversammlung zusammengewürfelt wurden, ihre Kompetenzen zur Entfaltung bringen können. Die Ansage ist jedenfalls klar: Derzeit haben wir Grüne 8 Mandate, und wir haben deshalb so viele Plätze gewählt, weil wir beabsichtigen zu wachsen!

Hier die Liste der Innsbrucker Grünen:
1. Sonja Pitscheider, 2. Renate Krammer-Stark, 3. Uschi Schwarzl, 4. Mesut Onay, 5. Thomas Carli, 6. Gerhard Fritz, 7. Marcela Duftner, 8. Kathrin Heis, 9. Raphael Lepuschitz, 10. Andreas Pichler, 11. Viktoria Spielmann, 12. Christoph Wild, 13. Petra Mairer, 14. Andreas Helldrich, 15. Sarah Winkler, 16. Thomas Lechleitner, 17. Christiane Bauer, 18. Michael Bauer.

Es war übrigens ein spannender Tag auf dem Präsidium, ziemlich herausfordernd, wie man mir vielleicht auch ansieht.

Ingrid Felipe, Gebi Mair und Lore Hayek am Präsidium.

Freitag, 23. September 2011

Familienfreundliches Tirol: Ich kanns nicht mehr hören

Tirol soll zum familienfreundlichsten Bundesland werden da, familienfreundlichste Aktion dort, familienfreundlichster Betrieb heute, familienfreundlichstes Foto morgen. Ich kanns irgendwann nicht mehr hören, und zwar deshalb, weil es mit der Realität so wenig zu tun hat. Hier, was im Rechnungsabschluss des Landes, also in den harten Zahlen zum Budget 2010 steht. Bevor die Regierung das Wort "familienfreundlich" wieder in den Mund nimmt, soll sie dafür sorgen, dass dafür Geld da ist:


Familienförderung
Deutlich weniger Mittel als im Vorjahr (-5,1 Mio. ) wurden im Teilabschnitt 46910 „Familienförderung“ verausgabt. Die geringeren Ausgaben verteilen sich auf mehrere Förderungsmaßnahmen, insbesondere aber auf die Förderaktion „Kindergeld+“.

Donnerstag, 22. September 2011

Wie macht die TIGEWOSI ihren Gewinn?

Die TIGEWOSI ist ein großer gemeinnütziger Bauträger im Besitz von Stadt Innsbruck und Land Tirol. Im gestrigen Finanzkontrollausschuss des Landtages gab es dazu ein spannendes Detail, wie die TIGEWOSI an ihren MieterInnen verdient: mit den Hausverwaltungskosten. Das läuft dann so:

Die gemeinnützigen Bauträger haben einen Pauschalbetrag, den sie höchstens für die Hausverwaltung verrechnen dürfen: 171,82 Euro.
Die gemeinnützigen Bauträger haben aber nicht nur einen Pauschalbetrag, sondern tatsächliche Kosten, die für sie entstehen, bei der TIGEWOSI:  118,03 Euro.
Und dann gibt es noch einen Betrag, der tatsächlich von der TIGEWOSI verrechnet wurde: 141,85 Euro.

Also:
Erlaubt: 171,82 Euro
Tatsächliche Kosten: 118,03 Euro
Verrechnet: 141,85 Euro

Was die TIGEWOSI macht, ist also nicht ungesetzlich. Aber unanständig. Pro Wohnung verdient die TIGEWOSI so an der Hausverwaltung 23,82 Euro an Überschuss im Jahr. In Summe kommt da auch einiges zusammen. Und weil das leider nicht der einzige Fall ist, wo man lieber ein paar Euro mehr verrechnet (von der Eigenmittelverzinsung bis zu den Auslaufannuitäten), kommt am Ende ein satter Gewinn heraus, den die MieterInnen bezahlen. Ob das gemeinnützig ist?

Mittwoch, 21. September 2011

Königshofer ein Fall für den Staatsanwalt

Der Nationalratsabgeordnete Werner Königshofer ist ein Fall für den Staatsanwalt. Der Nationalrat wird heute seine Immunität aufheben und ihn der Staatsanwaltschaft ausliefern. Es geht dabei um den Vorwurf der Verhetzung nach § 283 StGB. Interessantes Detail: Auch die FPÖ hat schon im Immunitätsausschuss für die Aufhebung seiner Immunität gestimmt. Wer aus dem FP-Klub ausgeschlossen wird, darf also offenbar nicht mit der weiteren Solidarität der Partei rechnen. Hier gehts zu den parlamentarischen Materialen der Auslieferung Königshofers.

Dienstag, 20. September 2011

Millionen für den Chef

Er brauche eine paar "Millionen für den Chef", soll SPÖ-Staatssekretär Ostermayr in einem Telefonat mit dem ÖBB-Vorstand verlangt haben, und im gestrigen ZIB2-Interview konnte er das nicht einmal dementieren. Wir haben es derzeit tatsächlich mit einer selbstgefälligen Politikerkaste zu tun, die nichts besseres zu tun weiß, als die Republik auszuräumen, wo es geht. Das trifft nicht nur die Zeit der schwarzblauen Koalition, auch die rot-schwarzen Koalitionäre seitdem haben sich diese Tradition offenbar bewahrt.

Wo ist das Verantwortungsgefühl, dass es sich hier um öffentliches Geld handelt? Dass die ÖBB nicht dazu da sind, Imagewerbung für den Bundeskanzler zu machen? Und TIWAG und Hypobank nicht dafür da sind, dass sich der Landeshauptmann bedienen kann?

Meine Fresse, in diesem Land muss man manchmal echt verzweifeln. Hier hat sich eine Bedien-Mentalität eingeschlichen, die von den WählerInnen hoffentlich bald abgestraft wird.

Ich werde im nächsten Landtag jedenfalls beantragen, alle Inserate von Landesregierung und Unternehmen des Landes zu veröffentlichen, dann werden wir ja sehen, wie weit die Selbstbedienungsmentalität in ÖVP und SPÖ geht.

Freitag, 16. September 2011

Sonja Pitscheider im Interview


Ein Interview von Tirol TV mit Sonja Pitscheider, vorab hier zu sehen und demnächst auch im Fernsehen. Ich freue mich auf Diskussionen hier, und Sonja diskutiert immer gerne auf ihrem Blog: http://www.sonjapitscheider.at/

Donnerstag, 15. September 2011

Wer hat 2010 draufgezahlt?

Der Rechnungsabschluss des Landes Tirol für das Jahr 2010 liegt vor, und damit auch die Zahlen, wer draufgezahlt hat. Der größte Draufzahler waren Kunst und Kultur mit einem Minus von 12%, verglichen mit dem Vorjahr. Bei einer Steigerung des Gesamtbudgets um 3,5% ist diese Kürzung umso auffälliger.

Tatsächlich weniger Mittel ausgegeben als geplant wurden aber auch in anderen Bereichen: Die Familienförderung wurde etwa um 5,1 Millionen Euro gekürzt - von wegen familienfreundlichstes Land und so. Auch die Wirtschaftsförderung durfte um 50,2 Millionen Euro weniger ausgegeben werden als noch im Voranschlag geplant. Massiv gestiegen sind hingegen die Ausgaben der Landesgedächtnisstiftung für das Bergiselmuseum. Und wegen zweier Konkurse von Baufirmen mussten aus dem Wohnbaubudget 1,5 Millionen Euro abgeschrieben werden. In Summe hat es Landesrat Switak geschafft, den Abgang um 227,2% zu erhöhen, und zwar auf 188,8 Millionen Euro: Christian Switak, Schuldenkaiser.

Mittwoch, 14. September 2011

Frauen? Brauch ma nit

Das denkt sich offenbar immer noch die Tiroler Landesregierung. Die folgenden Unternehmen mit Landesbeteiligung haben genau 0 Frauen in den Aufsichtsräten:

TIWA: 0
Verkehrsverbund Tirol GmbH: 0
Leitstelle Tirol GmbH: 0
Olympiaworld: 0
ASFINA: 0
Flughafen Innsbruck: 0
Timmelsjoch Hochalpenstraße GmbH: 0

Wenn man alle Landesunternehmen zusammenrechnet, dann ist der Frauenanteil in den Aufsichtsräten von 7% im Jahr 2007 auf gerade einmal 16% im Jahr 2010 gestiegen. Da ist jedenfalls noch Spielraum nach oben.

Dienstag, 13. September 2011

Ein Steuerpickerl für illegale Automaten

Wer in Innsbruck die illegale Spielautomatenszene beobachtet, kann ein spannendes Schauspiel beobachten: Über manchen der illegalen Automaten hängt ein Steuerbescheid, und es sieht so aus, als ob der Automat genehmigt wäre. 220 Euro im Monat kassiert die Steuerbehörde in Innsbruck dafür an Abgaben. So weit, so fein. Ob der Automat jedoch legal oder illegal ist, darum kümmert man sich dabei nicht. Anstatt im Rathaus eine Tür weiter zu gehen und den illegalen Automaten beim Erhebungsdienst anzuzeigen, heißt es: Aufgrund des Steuergeheimnisses dürfe man keine Auskunft darüber geben, von wem man Steuern kassiert.

So kann man illegale Spielautomaten natürlich nicht bekämpfen, wenn die Behörden nicht zusammenarbeiten. Dabei ist das alles völlig legal. Das bestätigen nun auch Finanzministerin und Innenministerin in Anfragebeantwortungen an Peter Pilz. So macht sich der Staat zum Helfer der organisierten Kriminalität.

Anfrage an die Innenministerin
Anfragebeantwortung durch die Innenministerin
Anfrage an die Finanzministerin
Anfragebeantwortung durch die Finanzministerin

Tiroler Tageszeitung: Innsbruck kassiert Steuer für illegale Spielautomaten

Update: Die Innsbrucker Bürgermeisterin Christine Oppitz-Plörer wusste angeblich bis heute nichts von dieser Steuer. Nun hat sie eine ExpertInnengruppe einberufen und will die Angelenheit abstellen. Hier ihre Presseaussendung dazu.

Freitag, 9. September 2011

Zeit für Ehrlichkeit, Alexander Wrabetz

Helmut Krieghofer war nie ein zimperlicher Mensch. Nachdem er für den ORF "Tirol heute" aufgebaut hatte und mit dem Slogan "Das Wir Tiroler-Fernsehen" beworben, wechselte er zur ÖVP und nahm den Slogan gleich mit. Die ÖVP hieß fortan "Wir Tiroler". Wie Krieghofer noch viel öfter ÖVP und ORF verwechselte, zeigt Markus Wilhelm hier auf.

In seiner Zeit als ÖVP-Landtagsabgeordneter beschäftigte er sich in zwei Anträgen mit Medienfragen. Einmal beantragte er ein lokales Kabelfernsehangebot gegen das Monopol des ORF und für Medienvielfalt:

"Die Landesregierung wird aufgefordert, an die Bundesregierung heranzutreten, damit diese möglichst rasch ein Kabelrundfunkgesetz ausarbeitet, das den lokalen, regionalen und föderalistischen Bedürfnissen und Gesichtspunkten entspricht. Das Kabelrundfunkgesetz soll einer Monopolisierung im Medienbereich entgegenwirken und für Vielfalt auf dem Mediensektor sorgen."

Und einmal beantragte er, ein Tiroler Medienhaus zu errichten als Ausbildungsmöglichkeit für JournalistInnen. Dieser Antrag wurde natürlich nie umgesetzt. Ansonsten ist Krieghofer als Abgeordneter nicht besonders aufgefallen, er dürfte seine Interessensschwerpunkte woanders gehabt haben.

Auch als Krieghofer aus dem Landtag ausschied, blieb er der ÖVP freundschaftlich verbunden. So verwunderte es nicht, dass die Tiroler ÖVP ihn zum ORF-Stiftungsrat ernannte. Als Stiftungsrat wählte er den neuen ORF-Generaldirektor Wrabetz, und dieser wiederum - eine Hand wäscht die andere - soll ihn jetzt zum ORF-Landesdirektor machen.


Dass der ORF-Redakteursrat in Wien dies ebenso unvereinbar findet wie der Redakteursrat des ORF Tirol, dass alle Parteien bis auf die ÖVP sich gegen den Missbrauch des Landesstudios als Schwarzfunk aussprechen kümmert aber offenbar wenig.

Ich finde, es ist Zeit für Ehrlichkeit, Alexander Wrabetz: Warum soll Helmut Krieghofer Landesdirektor werden? Ist dies das Gegengeschäft für die ÖVP-Stimme bei der Generaldirektorswahl? Ist das die Art, wie die ÖVP ihre Stimmen verknüpft? Und wo bleibt die Garantie für die Unabhängigkeit des Tiroler ORF?  Ich bin gespannt, was Sie anbieten, wenn Sie schon der ÖVP den Diener machen.

Donnerstag, 8. September 2011

Immer noch zu viele illegale Spielautomaten in Tirol

Eine Wiener Marktfoschungsfirma hat versucht, den Glücksspielmarkt in Österreich zu durchleuchten, und zwar den legalen ebenso wie den illegalen. Ich muss gestehen, dass ich nicht weiß, wer die Firma beauftragt hat und deshalb auch nicht sagen kann, ob ihre Zahlen zuverlässig sind. Für Tirol kommen sie mir noch unterschätzt vor nach meinen eigenen Erfahrungen.

Was die Firma jedenfalls erhoben hat: In Tirol dürften derzeit etwa 880 illegale Glücksspielautomaten stehen. Das sind um 120 weniger als noch im Vorjahr. Damit ist der Rückgang mit -14% deutlich geringer als in den Nachbarbundesländern Salzburg (-30%) und Vorarlberg (-67%).

Und selbst wenn uns die Studie sonst nichts sagen sollte: Sie sagt uns zumindest, dass der illegale Glücksspielmarkt in Tirol unverantwortlich hoch ist und mehr getan werden könnte, im gegen das illegale Glücksspiel und seine zerstörerischen Folgen zu kämpfen.

Mittwoch, 7. September 2011

Auf ein Tischtennisspiel bei Kim Jong-Il

Wir hatten zwei Minuten. Zwei Minuten Tischtennis, dann war wieder alles vorbei. Zwei Nordkoreaner hatten es gewagt, in ein Tischtennisspiel mit uns einzusteigen. Nach zwei Minuten aber brauchte es nur einen kurzen Blick, und sie legten die Schläger auf die Platte und gingen wortlos davon.

„Rätselhaft“, so wird die „Demokratische Volksrepublik Korea“ häufig beschrieben. Ich habe mir vorgenommen, dieses Adjektiv für das am meisten abgeschottete Land der Welt nicht zu verwenden. Aber ob es mir gelingt, da bin ich mir noch nicht sicher. Ich habe inzwischen so manches Land bereist, darunter auch politisch unfreundliche, Diktaturen verschiedener Art. Doch noch nie war ich in einem Land, in dem die Kategorien „wahr“ und „falsch“ so konsequent abgeschafft wurden.

Portraits von Kim Il-Sung und Kim Jong-Il im Großen Studienpalast des Volkes, Pjöngjang


Am Paektu San, dem höchsten Berg Koreas sei er geboren, der geliebte Führer Kim Jong-Il, erklärt man uns mehr als einmal. In einer kleinen Hütte im winterlichen Wald, Artilleriefeuer in Hörweite. Über der Hütte zeigte ein Stern die Geburt an. Krippenassoziationen tauchen auf, und sie werden noch dadurch verstärkt, dass die angebliche Geburtsstätte von Kim Jong-Il im ganzen Land in Modellform ausgestellt ist. Dass Kam Paektu San niemals gekämpft wurde und Kim tatsächlich in Russland geboren wurde, tut der Konsequenz der Geschichte keine Abbruch. Wahr und falsch sind keine Kategorien in diesem Land.

Kim Jong-Il ist gottgleich in Nordkorea. Und Gott äußert sich nicht öffentlich. So spricht auf Kim niemals, er lässt sprechen. Mit getragener Stimme wird berichtet, wie der General sein Volk beglückt. Überragt wird er nur von einem, seinem Vater Kim Il-Sung. Der ist nämlich auch 17 Jahre nach seinem Tod ewiger Präsident des Landes und verdient entsprechende Verehrung.

Kim Il-Sung ist der Gründer der demokratischen Volksrepublik Korea, er hob sie 1948 mit Unterstützung der Sowjetunion aus der Taufe. Der Erzählung nach war er Widerstandskämpfer gegen die japanische Besatzung. 40 Jahre lang hatten sich die Japaner in Korea aufgeführt wie die Berserker. Sie hatten versucht, die koreanische Sprache und Kultur auszurotten, und wenn es die Koreaner selbst dazu auch noch traf, dann hatten sie auch nichts dagegen. Es handelte sich um einen wahren Genozid, Geschichten von Menschen, die an Mühlsteine gebunden und zermalmt wurden, inklusive. Die Befreiung von der japanischen Besatzung am 15. August 1945 ist bis heute der Nationalfeiertag in beiden Koreas, und wir hatten das Glück, diesen Tag in Nordkorea zu erleben.

Wir, das ist eine Gruppe von PolitikwissenschaftlerInnen und HistorikerInnen der Universität Innsbruck. Ausgerechnet Nordkorea hatten wir uns als Exkursionsziel ausgesucht, nicht wissend was uns erwartete.

Kann sein. Kann aber auch nicht sein.

Kaum ein Land hat in mir jemals solche Zweifel gesät wie der Nordteil der koreanischen Halbinsel. „Alle Koreaner tragen dies freiwillig und gerne“ erklärt einer unserer drei Guides, angesprochen auf die Anstecker mit dem Bildnis Kim Il-Sungs, das ausnahmslos alle Erwachsenen stets am Revers tragen. Kann sein. Kann aber auch nicht sein.

Wie sollten wir es auch herausfinden? Koreaner begegnen westlichen TouristInnen mit ausgemachter Ignoranz. In der Hauptstadt Pjöngjang wird man als Tourist nicht gegrüßt, ja kaum angesehen. Angeblich wird erzählt, TouristInnen seien ansteckend wie ein Virus. Unser Guide hingegen erklärt uns, das sei ein Missverständnis. Die Menschen auf der Straße hielten uns für AmerikanerInnen und seien deshalb so ablehnend.

Der Kampf gegen die USA ist als zweite große Erzählung neben jener über den anti-japanischen Befreiungskrieg im gesamten Land ständig präsent. „Nach eineinhalb Stunden amerikanischer Attacken starteten wir unseren Gegenangriff und überschritten den 38. Breitengrad in Richtung Süden“ erklärt uns die lokale Führerin im „Museum der Geschichte des siegreichen vaterländischen Krieges.“ Kann sein, kann aber auch nicht sein. Bei uns wird die Geschichte andersherum erzählt: Nach einem sowjetisch unterstützten Angriff auf die Republik Korea im Süden kam es im Jahr 1950, in der Abwesenheit der UdSSR zu einem Beschluss des Sicherheitsrates der UNO über ein bewaffnetes Mandat zur Wiederherstellung der Grenze am 38. Breitengrad. Nach drei Jahren Krieg und dem Eingreifen von 27 Staaten auf der Südseite und Chinas und der Sowjetunion auf der Nordseite endete die Auseinandersetzung mit einem Waffenstillstand wieder ziemlich genau dort, wo sie begonnen hatte: rund um den 38. Breitengrad.

Der Krieg bestimmte das Schicksal der koreanischen Halbinsel für die kommenden Jahrzehnte. Im Norden kam es zu einem schnellen industriellen Aufstieg in den 1960er und 1970er Jahren, während der Süden lange unter einer schlechten Militärregierung litt. Spätestens mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion aber hatten sich die Vorzeichen geändert: Im Süden der Halbinsel entwickelte sich ein prosperierender kapitalistischer Staat, und im Norden geriet die Planwirtschaft in eine massive Krise.

Die demokratische Volksrepublik Korea im Norden versteht sich als sozialistischer Staat. Tatsächlich handelt es sich um eine Planwirtschaft, ansonsten wurden jedoch mehr Elemente aus dem Konfuzianismus übernommen als aus dem wissenschaftlichen Sozialismus. Dazu gehört etwa die Unfehlbarkeit der familiären Vaterfigut. In der „Juche“-Idee fasste der Staatsgründer Kim Il-Sung seine Ideologie zusammen. Es handelt sich um einen aggressiven kollektivistischen Nationalismus mit einem starken Mann an der Spitze der Kollektivs.

In den ersten Jahrzehnten konnte der Staat durchaus Erfolge verbuchen. Das Land wurde massiv industrialisiert, die Bevölkerung stieg von 12 auf 24 Millionen. Ein freies Bildungssystem wurde eingeführt, ebenso kostenlose Gesundheitsversorgung, stets begleitet von enormen Militärausgaben. Die Regierung des Landes erfolgte hauptsächlich über Vor-Ort-Anweisungen des Präsidenten, der gottgleich alles wusste. Er wusste, wie die Meeressperre bei Nampo im Westen des Landes zu bauen sei, wie Kraftwerke zu errichten, Denkmäler zu setzen, die Landwirtschaft zu vereinheitlichen oder Turnunterricht zu erteilen sei. Und schließlich wusste er irgendwann auch, wie der Reis zu pflanzen sei. Nämlich enger, und mit mehr Dünger. Und damit trug er zu einer Hungersnot bei, der in den 1990er Jahren an die 3 Millionen Menschen zum Opfer gefallen sein dürften.

„Ja wir hatten eine Hungersnot“, erklären unsere Guides. „Dafür gab es verschiedene Gründe: Die Topographie des Landes mit nur 18% landwirtschaftlicher Fläche ist einer, der Zusammenbruch der Sowjetunion war einer, die Sanktionen der USA ein anderer, und schließlich kam es zu massiven Überschwemmungen.“ Ja, kann sein. Kann aber auch nicht sein.

Auf unserer Exkursion wurde uns auch eine Landwirtschaft vorgeführt. „Eine der zehn Schönheiten der Songun-Politik“ lautete die Erklärung. „Songun“, das ist die neue Politik des Generals Kim Jong-Il nach dem Tod seines Vaters. Im Wesentlichen bedeutet sie, dass das Militär alle Aufgaben in der Gesellschaft übernehmen kann und das Militär zur ersten und wichtigsten Aufgabe des Staates erklärt wird. Mit zahlenmäßiger Überlegenheit sei die nordkoreanische Armee unbesiegbar, heißt es. Auch diese Landwirtschaft wird gemäß der Songun-Politik als militäreigener Betrieb organisiert. 1.800 Menschen bestellen dort 800 Hektar Land. Wo die Maschinen seien, wollen wir wissen. Und die logische Erklärung lautet: „Die Traktoren sind in der Garage.“ Ansehen können wir sie natürlich nicht.

Nordkorea ist als Planwirtschaft mit niedriger Effizienz und Vollbeschäftigung organisiert. Auch die Rolle des Militärs muss so verstanden werden. Vermutlich wird etwas an der Technologie für Atomraketen dran sein, die dort entwickelt wurden. Aber der Großteil des mehr als 1 Million starken Heeres ist mit anderen Aufgaben beschäftigt: Kraftwerke bauen, Straßen kehren, Gras schneiden, Gebäude bewachen, Museen instand halten und noch vieles mehr.

In den 1990er Jahren, während der Hungersnot, war das Militär die einzige gesellschaftliche Institution, die noch funktionsfähig war. So übernahmen Soldaten mehr und mehr gesellschaftliche Aufgaben. Der Rest des Landes hingegen befindet sich seit 15 Jahren in einem Deindustrialisierungsprozess, und das Land ist offensichtlich nicht in der Lage, diese Entwicklung zu stoppen. Versuche mit kapitalistischen Sonderwirtschaftszonen wurden wieder eingestellt. Inzwischen hält sich die Regierung mit Waffenschmuggel, Geldwäsche, Internetbetrug, Drogenhandel und dem Betrieb von Spielcasinos im Ausland über Wasser, ab und zu gefolgt von ausländischer Hilfe.

Man brauche ausländische Nahrungsmittelhilfe, heißt es aus nordkoreanischen diplomatischen Kreisen immer wieder. Der Westen zögert. Man wisse nicht, wie es um die Nahrungssituation tatsächlich bestellt sei, heißt es aus österreichischen Diplomatenkreisen. Man verdächtige die Regierung, im Jahr 2012 eine große Show abziehen zu wollen. Nächstes Jahr jährt sich nämlich die Geburt von Kim Il-Sung zum hundertsten Mal. Und nach seinem Geburtstag wurde sogar eine eigene Zeitrechnung eingeführt, die ebenfalls „Juche“ genannt wird. Auch ein russischer Mitarbeiter des World Food Programmes, den wir in Nordkorea treffen, kann es nicht genau sagen. Er sei seit einem halben Jahr im Land, aber er könne über die Nahrungssituation immer noch keine gesicherten Aussagen treffen, sagt er. Tatsächlich sehen wir einmal eine Gruppe völlig abgemagerter Soldaten, ansonsten sind zwar alle Menschen schlank, aber sie wirken nicht verhungert. Tatsache ist aber, dass wir nur Teile des Landes zu Gesicht bekamen. Wie es dort aussieht, wo wir nicht hin durften, das können wir nicht beurteilen. 700 Gramm Reis am Tag erhielten alle arbeitenden Menschen in Nordkorea erklären uns jedenfalls unsere Guides. Auf den Feldern gibt es jedenfalls Wachtürme, es muss also so etwas wie Lebensmitteldiebstahl geben, auch wenn unsere Guides betonen, dies sei, um Tiere abzuhalten.

Überhaupt sehen wir vieles im Land nicht. Für alles, was wir sehen, gibt es eine mehr oder weniger glaubwürdige Erklärung. Als wir mitten in Pjöngjang eine Gruppe Menschen sehen, die mit Kanistern offensichtlich um Trinkwasser anstehen, lautet die Erklärung unserer Guides, sie stünden dort, um ihr Wasser mit Kohlensäure versetzen zu lassen und daraus Mineralwasser machen zu lassen. Und als wir in Wonsan an der Ostküste des Landes in einem Jugendcamp bei einem anderen Ausgang aus einem Vortragssaal hinausgehen als geplant, kommen wir nicht nur an den gut gefüllten Bars des vorgesehenen Weges vorbei, sondern plötzlich auch an völlig leeren Einrichtungen. Kann also alles sein. Kann aber auch nicht sein.

Wie viel es in den Geschäften zu kaufen gibt, können wir ebenfalls nicht beurteilen. Wobei kaufen ein falscher Begriff ist. Mit Geld funktioniert offiziell wenig, es gibt Bezugsscheine für alles, sogar für den Besuch des Vergnügungsparks in Pjöngjang. Wie groß der Schwarzmarkt ist, lässt sich nicht seriös beurteilen. Auffallend ist, dass manche Menschen bunte Kleidung haben, die offenbar aus China stammt und nicht mehr den Einheitslook tragen, der mit der über die Firmen verteilte Kleidung einher kommt.

Als AusländerInnen können wir nur in den Ausländergeschäften mit Euro einkaufen. Dort gibt es wenig Interessantes. Alkohol, Zigaretten, Propagandaliteratur und Postkarten. Für alles andere braucht man Won, und die sind für Ausländer nicht erhältlich. Die Reise muss im Voraus in Euro bezahlt werden, auch „Entertainment“ wie ein Zirkusbesuch, ein Konzert, der Vergügungspark oder Besuch von Arirang, dem beeindruckend-schaurigen Massengymnastikfestival mit 100.000 TeilnehmerInnen, das jährlich im August stattfindet.

Die NordkoreanerInnen, die wir sehen, wirken jedenfalls den ganzen Tag irgendwie beschäftigt. Nur an den Feiertagen scheint es ein bissen unorganisierte Freizeit zu geben. Aber auch hier wirkt der Großteil organisiert. So treffen wir etwa beim Wandern im Kumgang-Gebirge auf organisierte Wandergruppen. Wer von den NordkoreanerInnen in diesen Genuss kommt und wer nicht, das finden wir leider nicht heraus. Offensichtlich ist, dass es privilegierte Gesellschaftsschichten gibt, und von der versprochenen Gleichheit nicht viel zu merken ist. Zu den Gebieten im Norden, wo die Menschen niedrigerer Gesellschaftsschichten wohnen und sich auch die Arbeitslager mit angeblich 200.000 Insassen befinden, erhalten wir keinen Zugang.

Vieles ist nicht möglich, was wir gerne in den zwei Wochen unternehmen würden. Nicht einmal, allein aus dem Hotel zu gehen. Anderes ist dafür möglich. Dutzende Denkmäler anzusehen etwa, auch das Mausoleum des verstorbenen Präsidenten, eine Art Heilserfahrung für die KoreanerInnen vor und hinter uns – im Mausoleum wird übrigens auch eine Medaille der Universität Innsbruck gezeigt, aber das nur nebenbei. Überhaupt ist das eines der Resümmées der Exkursion: Es handelt sich offensichtlich nicht nur um einen Staat, es handelt sich vielmehr um eine Religion, die sich zum Staat erhoben hat. Mit Logik ist ihr deshalb auch nicht beizukommen. Fragen wie jene, ob die wirklich erstaunliche Sauberkeit im ganzen Land und die gut erhaltene Infrastruktur mit Druck und Zwang oder aus freiwilliger Tätigkeit entstehen, lassen sich in einem geschlossenen religiösen System nicht sinnvoll stellen. Ob die gezeigten Aufführungen von kleinen Kindern, die wie dressierte Affen vorgeführt werden nur unter massivem strukturellem Gewalteinsatz zustande kommen oder aus Freude und Liebe können wir nicht sagen.

Die meisten unserer Fragen müssen deshalb unbeantwortet bleiben, weil sich die Logik des Systems unserem Denken verschließt. Wenn es weder wahr noch falsch gibt und auch Logik nicht weiterhilft, dann erübrigen sich Fragen wie jene, ob die Menschen dort auch gerne Telefone hätten, mit denen man aus Nordkorea hinaus telefonieren kann. Oder ob sie damit zufrieden sind, dass das Intranet keine Inhalte von außerhalb anzeigen kann. Und nicht einmal die Anzahl der angeblich 200.000 nordkoreanischen Flüchtlinge, die in China leben, hilft uns bei der Beantwortung dieser Fragen weiter. Wir wissen nicht, wie Menschen denken, die nur dieses System kennen. Würden sie eigentlich etwas anderes wollen? Oder wollen sie vielleicht sogar etwas anderes, und wir können es nur nicht richtig deuten? Oder sind sie gar mit dem Unterdrückungssystem zufrieden, das sie haben, weil sie es gar nicht so empfinden? Kann man jenen glauben, die geflüchtet sind?

Ein enormer Aufwand wird betrieben, damit die westlichen devisenbringenden TouristInnen nur sehen, was sie sehen sollen. Wie viel wir gesehen haben und wie viel wir nicht gesehen haben, wissen wir daher nicht. Beim Wandern im Myohang-Gebirge beginnen die ersten unserer ExkursionsteilnehmerInnen, gegen die Steine zu klopfen um herauszufinden, ob zumindest die echt sind, so weit erfasst uns die Paranoia bereits.

Ist das Land schrecklicher oder weniger schrecklich als ich es mir vorgestellt habe, frage ich mich von Zeit zu zeit. Es ist anders, jedenfalls. Und es hat eine bessere Legitimationsgeschichte den eigenen BürgerInnen gegenüber als ich vermutet hatte. Ich hatte die pure Repression im Kopf, die Exekutionen von kleinen Lebensmitteldieben, die Deportation Behinderter aus Pjöngjang, die Zwangsarbeit, die Arbeitslager, die Hungersnöte. Ich hatte nicht im Kopf, wie eine Ideologie nicht mehr bloße Ideologie ist, sondern ein gesamter Lebensinhalt. Verliert sie damit ihren ideologischen Gehalt? Ich kann es nicht beantworten, und diese Frage macht mich ganz wahnsinnig. Auch unsere Reisegruppe konnte die wesentlichen Fragen über dieses Land und seine BewohnerInnen nicht einheitlich beantworten, und wir zerstritten uns daran.

Als wir die beste Agrar-Universität des Landes besuchen, erregt jedenfalls eine Schrifttafel unsere Aufmerksamkeit. Während ansonsten im ganzen Land Kim Il-Sung und Kim Jong-Il auf Fotos und Schriftzügen präsent sind, gab es hier plötzlich eine dritte Tafel. Neben Kim Il-Sung und Kim Jong-Il prangt ein dritter Name, Kim Jong-Un. Der Sohn Kim Jong-Ils, stellvertretender Vorsitzender des nationalen Verteidigungsrates. Wir fragen nach, wie aus dem Zweigestirn plötzlich ein gleichberechtigtes Dreigestirn wurde. „Er ist wie sein Vater und sein Großvater. Und er empfängt bereits die Liebe des Volkes.“ Kann sein. Kann aber auch nicht sein.

Schriftzeichen von Kim Il-Sung, Kim Jong-Un und Kim Jong-Il an der Agraruniversität in Wonsan

Montag, 5. September 2011

Ein Gastbeitrag

Versprechen muss man halten. Ein kurzer Twitter-Dialog mit @stefan2494 führte zu diesem Versprechen: "Schreib einen Beitrag deiner Wahl, ich stelle ihn als Gastbeitrag auf meinen Blog." Wie es sich gehört, wurde natürlich ein Beitrag ausgesucht, dessen Meinung ich als jemand, der sowohl den NATO-Einsatz in Libyen unterstützt wie auch darüber nachdenkt, ob in Syrien interveniert werden sollte, nicht teile. Aber versprochen ist versprochen und soll zur Diskussion führen. Hier der Beitrag von www.kiwini.at:

Libyen ist anders.

Ägypten war anders. In Ägypten gab’s Demonstrationen, großteils friedlich (von Seiten der Demonstranten), und Mubarak sah ein, dass er gehen musste. Er ging. Es wird sich zeigen, wie das neue Ägypten zurechtkommen wird.
Libyen ist anders.
Bei den folgenden Aussagen berufe ich mich auf den Onkel eines Kollegen, der als Geschäftsmann öfters nach Libyen reiste, und auf einen Kollegen, der vor einigen Jahren selbst dort war, und auf Wikipedia.
Mit einem Human Development Index von 0,755 ist das Land laut den Vereinten Nationen der höchstentwickelte Staat des afrikanischen Kontinents.
Libyen hat eines der höchsten Pro-Kopf-Einkommen des afrikanischen Kontinents. Die Sozialversicherung der Einwohner umfasst die kostenlose medizinische Versorgung sowie Witwen-, Waisen- und Altersrenten. Allgemeine Schulpflicht bei kostenlosem Unterricht besteht für Sechs- bis Fünfzehnjährige.
Meine Quellen konnten diese Angaben bestätigen, außerdem erfuhr ich, dass beispielsweise Tripolis eine typische, entwickelte mediterrane Stadt ist, wo außer zahlreichen Plakaten Gaddafis alles normal schien.
Versteht mich nicht falsch. Natürlich ist Gaddafi ein Psychopath und ich möchte ihn nicht als mein Staatsoberhaupt. Dennoch lassen diese Fakten darauf schließen, dass es den (meisten) Libyern nicht schlecht ging.
Anfang 2011 brach der sog. Arabische Frühling aus. Auch in Libyen ging es rund, hier gingen die Rebellen jedoch mit Waffengewalt vor. Nun (21:18 Uhr MESZ am 23. August 2011) sieht es aus, als seien Gaddafis Tage gezählt.
Was nun?
Auch das (meiner Meinung nach) absolut unnötige Eingreifen der NATO hat die Lage verschlimmert. In Libyen wird ab sofort ein Machtvakuum herrschen, in dem sich Rebellen mit untereinander unterschiedlichen Meinungen, Radikale, Liberale, Personen aus dem Einflussgebiet der NATO und auch noch Gaddafi-Treue tümmeln. Wie soll es da weiter nach vorne gehen?
Man muss sich auch fragen, ob Libyen überhaupt bereit für eine Demokratie ist – wahrscheinlich (noch) nicht. Und anstatt einer wackeligen Babydemokratie, wie wir sie im Irak finden, wäre es doch wohl anständiger gewesen, noch ein paar Jahre abzuwarten. Der allgemeine Trend der heutigen Welt ist sowieso in Richtung Demokratie, und ein einigen Jahren wäre sicher auch Libyen liberale geworden, und zwar ohne das Blutvergießen dieses Bürgerkrieges. Wenn sie Pech haben, werden sie jetzt auch noch von der NATO ausgebeutet (Stichwort Öl) – ganz Unrecht hatte der Gaddafi mit seinem „drohenden Imperialismus“ nicht.


(ACHTUNG: Ich verurteile ausdrücklich alle Handlungen des Gaddafi-Regimes und unterstüzte die Freiheitsbestrebungen der Bürger der arabischen Welt. Trotzdem sollte man über das Wann und Wie nachdenken.)

Gebis Kommentar: Als Anregung zur Diskussion, und als Begründung dafür, warum ich mit dem Blogbeitrag von Stefan nicht einverstanden bin: Ist "Demokratie" ein Bewegungsgesetz, das sowieso passiert? Gibt es einen Automatismus zur Demokratie? Ich denke nicht, Demokratie muss auch erstritten werden. Und gegen ein gewalttätiges Regime kann sie auch gewalttätig erstritten werden. Die Geschäfte des Westens mit Gaddaffi hatten erst so richtig begonnen. Umso erstaunlicher, dass sich der Westen dieses Mal gegen den Diktator gestellt hat. Ob es auch auf der Seite der Richtigen steht, das wird sich erst zeigen.

Freitag, 2. September 2011

Die Tiroler Tetron-Millionen

Wer ein eigenes Digitalfunknetz aufbauen will, der muss dafür tief in die Tasche greifen. Das ist klar. Aber ob die TirolerInnen dafür tiefer in die Tasche greifen mussten als notwendig, das wird noch zu klären. sein. Annähernd 20 Millionen Euro hat das Land bereits für das Digitalfunknetz "Tetron" in Tirol ausgegeben. 2003 wurde der Auftrag überraschend unter Innenminister Ernst Strasser (ÖVP) vom vorherigen Anbieter ("Adonis") abgezogen und an "Tetron" aus dem Telekom-Umfeld vergeben. Und zwar nicht nur im Bund, sondern auch in Tirol.

Im Innenministerium wurde inzwischen der Rechnungshof ersucht, den Deal zu überprüfen, weil es den Verdacht gibt, der Tetron-Auftrag könnte Teil der Telekom-Affäre ein. Ich habe mir schon vor zwei Jahren die Akten über Tetron in Tirol in der Abteilung Katastrophenschutz von Landeshauptmannstellvertreter Anton Steixner (ÖVP) ausgehoben. Was ich sah, war mehr als unvollständig.

An die 20 Millionen Euro wurden in Tirol für Tetron ausgegeben, davon allein 1,18 Millionen Euro für externe Berater. Jedes Jahr kommen weitere Kosten dazu, weil für die Funkgeräte ein Monopolvertrag mit der Firma Motorola besteht. Diese Kosten tragen beispielsweise die Feuerwehren. Bereits 2008 hatte der Landesrechnungshof bei eine Prüfung verlangt, nach Abschluss des Projektes alle Ausgaben auf Kostenwahrheit zu überprüfen. Eine umfassende Evaluierung und Darstellung der Kosten sei notwendig. Tetron habe ein überhöhtes "last best offer" gelegt, außerdem sei die Direktvergabe von knapp 200 Standorten an Tetron unzulässig gewesen.

Ich denke, die jetzigen Verdachtsmomente sind ausreichend Grund dafür, diese Prüfung jetzt durchzuführen. Es muss sichergestellt werden, dass hier kein Geld in dunkle Kanäle geflossen ist. Ich bin gespannt, ob sich die ÖVP lieber hinter die korrupte Republik stellt oder in Tirol Aufklärung zulässt.

ORF Tirol: Gebi Mair fordert Prüfung der Tetron-Verträge

Update: Hannes Rauch, ÖVP-Generalsekretär findet in ÖSTERREICH, man solle dem Rechnungshof nichts vorschreiben, wen er zu prüfen habe. Das ist natürlich auch eine interessante Strategie, eine Prüfung zu verhindern.

Donnerstag, 1. September 2011

Ja wo isses denn?

Wieder von meiner politikwissenschaftlichen Exkursion zurück muss ich feststellen, dass sich in der österreichischen Politik nicht viel getan hat in letzter Zeit. Die schlechten Quoten der ORF-Sommergespräche sind wohl ein Indikator dafür. Am spannendsten finde ich noch die folgende Geschichte:

Der Rechnungshof stellt in seinem aktuellen Bericht fest, dass 475 Objekte aus dem Tiroler Landesmuseum derzeit nicht auffindbar sind. Das liegt hauptsächlich daran, dass der Verleih meist vom Land selbst durchgeführt wird und nicht über das Museum. Es gibt weder Standortkontrollen noch in allen Fällen Verträge über die Kunstgegenstände. 51 Ikonen wurden mehr als ein Jahr lang in einer Privatwohnung gelagert, viele Objekte wurden nicht versichert und noch vieles mehr. Das ist ein Umgang mit Kunstwerken nach Gutsherrenart, als ob sie der Landesregierung persönlich gehören würden.

Über den Verbleib eines solchen Leihstücks kann ich übrigens Auskunft erteilen: es hängt in einem Büro in Wien, wenn es sein Nachfolger nicht abgenommen hat: Albin Egger-Lienz, ein Gemälde von zweifelhafter Provenienz aufgrund seines Erwerbes in der Nazi-Zeit "Sämann und Teufel":


Und ein weiterer Bericht des Rechnungshofes ist interessant. Alle MieterInnen der TIGEWOSI, die das Gefühl haben, zu viel Miete zu bezahlen, sollten hier nachlesen. Dann wissen sie, warum. Nachzulesen ist übrigens auch, dass die Zinssenkungen der Gemeinnützigen, auf die Landeshauptmannstellvertreter Hannes Gschwentner als sozialdemokratischen Erfolg so stolz ist (von 3,5 auf 2,0%) nur für zwei Jahre gilt.