Wem soll man gedenken? Den Opfern des NS-Regimes oder denjenigen, die auf der Täterseite standen? Wenn man die Frage so stellt, dann ist die Antwort wohl klar. Wenn man sie ein bisschen konkreter stellt, dann wird sie in Tirol plötzlich schwierig. Zum Beispiel: Soll man ein Denkmal für Alt-Landeshauptmann Eduard Wallnöfer aufstellen?
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So soll die Statue aussehen, 2,7 Meter hoch und 130.000 Euro schwer. |
Am Landhausplatz steht das Befreiungsdenkmal. Es wurde bewusst dem NS-Gauhaus gegenübergestellt und erinnert an die Befreiung 1945 und - wie die Inschrift zeigt - an "die für die Freiheit Österreichs Gestorbenen." Im Jahr 1995 wurde auf Initiative des Jugendlandtages der Landhausplatz um eine Menorah ergänzt, die an die jüdischen Opfer der Reichspogromnacht 1938 in Innsbruck mahnt. Über die Jahre wurden Namen von Opfern des Widerstands gegen das NS-Regime auf den Denkmälern ergänzt.
So wurde der Landhausplatz sukzessive zu einem Ort des Gedenkens an die Opfer der NS-Diktatur. Und auf diesen Platz soll nun eine Statue von Eduard Wallnöfer - zumindest wenn es nach dem Wunsch von Wallnöfers Schwiegersohn Herwig Van Staa geht. Überlebensgroß. 130.000 Euro teuer. Aber leider stand Eduard Wallnöfer in der NS-Zeit auf der falschen Seite der Geschichte wie man heute weiß. Wallnöfer war NSDAP-Mitglied und NSDAP-Mitläufer.
Auch sonst kann man über das Wirken von Eduard Wallnöfer durchaus diskutieren, etwa über seine Rolle in Sachen Agrargemeinschaften, wo sein Handeln erst durch den Verfassungsgerichtshof korrigiert werden konnte.
Ich frage mich außerdem, wer eigentlich den Auftrag für dieses 130.000 Euro-Werk gegeben hat. Der Tiroler Landtag war es jedenfalls nicht. Die Tiroler Landesregierung war es auch nicht. Beide haben nie einen Beschluss gefasst. Wer war es dann? Nun sollen Gelder der Tiroler Landesgedächtnisstiftung dafür verwendet werden, die eigentlich dazu dienen sollten, Stipendien für SchülerInnen und Studierende zu vergeben oder das baukulturelle Erbe Tirols zu erhalten. Von der Errichtung von Statuen für Altlandeshauptleute ist im Gesetz über die Landesgedächtnisstiftung jedenfalls nicht die Rede. Umso erstaunlicher, dass in der Landesgedächtnisstiftung auch die SPÖ dieser Finanzierung zugestimmt hat.
Der Landhausplatz ist der denkbar schlechteste Ort für so eine 2,70 Meter hohe Statue, wie der Historiker Horst Schreiber heute in der Tiroler Tageszeitung erklärt hat. Für mich ist die Frage noch ein bisschen größer. Für mich ist das auch eine Frage der politischen Grundhaltung.
Will eine Partei rückwärtsgewandt beim Wissensstand von 1994 stehen bleiben, als der Landhausplatz in Eduard-Wallnöfer-Platz umbenannt wurde? Oder hat man in den 22 Jahren, die seither vergangen sind etwas über Wallnöfer gelernt? Seine NSDAP-Mitgliedschaft beispielsweise oder eben seine Rolle in Sachen Agrargemeinschaften.
1994 konnte man noch sagen "Ich habe von nichts gewusst." 2016 kann das niemand mehr sagen.
Über Eduard Wallnöfers Nazi-Mitläuferschaft wissen wir Bescheid. Und wir können entscheiden, ob wir rückwärtsgewandt bleiben wollen und die Fakten ignorieren. Oder ob Tirol eine offene Gesellschaft sein soll, die einen kritischen Umgang mit ihrer Geschichte pflegt. So haben wir es 2013 auch ins schwarzgrüne Koalitionsabkommen geschrieben: Die Erinnerungskultur soll in Kooperation mit wissenschaftlichen Einrichtungen geschehen, vor allem betreffend die NS-Zeit, ihre Vorgeschichte und ihre Folgen. Eine überlebensgroße Statue von Eduard Wallnöfer widerspricht diametral dem Geist des schwarzgrünen Koalitionsabkommens, davon bin ich überzeugt.
Wer auf der richtigen Seite der Geschichte stehen will verzichtet auf diese Statue am Landhausplatz.