Freitag, 18. November 2016

Eine Strafexpedition

Das ist wohl das, was man eine politische Strafexpedition nennt. Und zwar von der Bundesregierung, gegen Landesumweltanwälte und Gemeinden.

Landesumweltanwälte sind von Natur aus immer lästig. Lästig bei Behörden, bei Projektwerbern, bei PolitikerInnen, in der Öffentlichkeit. Das müssen sie auch sein, sollen sie doch die Stimme jener Natur sein, die nicht für sich selbst sprechen kann. Deshalb stehen Landesumweltanwälte bei Behördenverfahren immer wieder als diejenigen da, die Einspruch erheben. Nicht so oft wie allgemein in der Öffentlichkeit geglaubt wird, aber eben doch.

Gemeinden können manchmal auch ganz schön lästig sein. Dann nämlich, wenn es um ihre eigenen Interessen geht. Und große Projekte gefährden die Gemeinden häufig in ihren Interessen. Sie widersprechen touristischen Interessen beispielsweise, oder raumordnerischen Interessen, oder standortpolitischen Interessen - oder manchmal auch ganz einfach dem politischen Interesse der BürgerInnen.

In der Bundesregierung hat man sich eine feine Strategie für eine Strafexpedition gegen Landesumweltanwälte und Gemeinden ausgedacht: Wenn man Landesumweltanwälte und Gemeinden schon nicht abschaffen kann, wenn man sie schon nicht aus den Verfahren hinausbringen kann, dann könnte man sie doch beschränken. Und zwar so, indem man im Rahmen der Umweltverträglichkeit einschränkt, in welchen Angelegenheiten sie sich überhaupt äußern dürfen. Gemeinden beispielsweise nur im Rahmen des "eigenen Wirkungsbereiches". Das klingt für die Öffentlichkeit wahrscheinlich harmlos. In der Realität heißt das aber beispielsweise, dass eine Gemeinde keine touristischen Argumente mehr gegen ein Projekt vorbringen darf, weil der Tourismus nicht Angelegenheit des eigenen Wirkungsbereichs der Gemeinden ist. Und auch Landesumweltanwälte werden stark eingeschränkt in dem, worüber sie sich überhaupt äußern dürfen sollen.

Solche Ideen entspringen vielleicht den feuchten Träumen von Projektanwälten. Dass sich die Bundesregierung auf diesen Zug setzt und eine Expedition gegen Landesumweltanwälte und Gemeinden reitet ist allerdings politisch verwerflich. Der zuständige Umweltminister bekommt derzeit Stellungnahmen aus ganz Österreich gegen diese Einschränkungen, und auch aus Tirol. Er ist gut beraten, diese Strafexpedition abzubrechen und stattdessen für eine moderne Umweltverträglichkeitsprüfung zu sorgen. Ich sage nur: Aarhus, und der Minister kennt sich aus.

Mittwoch, 16. November 2016

Tiroler Landtag live

Heute und morgen findet eine Sitzung des Tiroler Landtags statt. Heute beginnt der Landtag mit einer Feierstunde zu 25 Jahren Nationapark Hohe Tauern auf Tiroler Seite. Ein Jubiläum, auf das wir stolz sein können! Die Fragestunde beschäftigt sich dann mit Naturschutz- und Verkehrsfragen, ebenso wie die aktuelle Stunde in der wir die Zukunft der Tiroler Schutzgebiete zum Thema machen werden. Ich freue mich über Kommentare und Anmerkungen - schaut rein!

 

Wenn der Live-Stream oben nicht geht gibt es hier und hier noch zwei weitere Möglichkeiten.

Dienstag, 8. November 2016

Schlafverbot

Manchmal laufe ich Abends eine Runde oder gehe durch die Stadt, und dann sehe ich Menschen am Boden liegen. Sie liegen häufig auf Kartons, manchmal haben sie Isomatten. Ranzige Schlafsäcke, oft ein Tetrapack billiger Wein daneben. Sie versuchen ein bisschen zu schlafen, die Zeit herumgehen zu lassen.

Ich denke mir dann: könnte ich das? Wie entwürdigend ist es, in der Öffentlichkeit, auf dem Boden schlafen zu müssen wo andere Menschen vorübergehen, über einen drübersteigen und einen verächtlich oder auch mitleidsvoll anschauen? Würde ich mich fürchten wenn ich dort liegen müsste? Hätte ich Angst, überfallen zu werden, ausgeraubt oder auch nur von einer Gruppe Betrunkener angepöbelt zu werden? Würde ich mir selbst vielleicht auch den Tetrapack billigen Fusels kaufen, um mich innerlich so weit wegzubeamen wie es nur geht? Ich sehe, dass viele der dort Schlafenden ähnliche Gedanken haben, wenn sie sich nicht in dunkle Ecken legen wollen sondern unter Lampen, die die ganze Nacht leuchten. Wer geschützt vor Regen und Schnee ist hat wohl schon Glück.

Auf der Straße, am Boden, in der Öffentlichkeit schlafen zu müssen - das ist entwürdigend. Ich wünsche niemandem, dass er das tun muss. Und ich wünsche mir auch, dass das niemand in meiner Straße, in meiner Stadt tun muss. Ich wohne in der Innsbrucker Innenstadt, ich weiß wovon ich spreche.

Und es ist eine traurige Tatsache, dass Menschen keinen besseren Schlafplatz finden als diese entwürdigende Situation. Die bestehenden Notschlafstellen reichen nicht aus oder sind aus unterschiedlichen Gründen keine gute Option für manche Menschen. Vielleicht haben sie ein Problem mit Alkoholverzicht. Vielleicht ist es keine gute Option für sie, mit bestimmten anderen Menschen in einer gemeinsamen Einrichtung zu sein - das Leben auf der Straße ist hart und hinterlässt Wunden in Körpern und Seelen. Nicht alles ist von außen immer ganz rational zu beurteilen.

Auf der Straße schlafen zu müssen ist entwürdigend und ich wünsche es niemanden.

Was will eine Mehrheit des Innsbrucker Gemeinderates nun tun? Einfach das Schlafen verbieten.

Eine politische Koalition aus Für Innsbruck, SPÖ, ÖVP und FPÖ möchte in Innsbruck ein Schlafverbot auf der Straße einführen. Wenn es entwürdigend ist, auf der Straße schlafen zu müssen dann verbieten wir eben einfach das Schlafen.

Auch das ist entwürdigend. Politisch entwürdigend. Eine Politik, die nicht Lösungen sucht sondern einfach einmal etwas verbietet. Bis zu 2.000 Euro soll die Strafe auf das Schlafverbot in Innsbruck betragen. Vielleicht mag der Vergleich nicht ganz passend sein, aber Simbabwe hat übrigens per Gesetz die Cholera und die Inflation verboten. Wahrscheinlich mit ähnlichem Erfolg. Eine Politik, die nicht menschenwürdige Lösungen sucht - in Situationen die für alle unangenehm sind: für diejenigen die auf der Straße schlafen müssen ebenso wie für diejenigen, die sehen müssen dass es Menschen gibt deren einziger Schlafplatz der öffentliche Raum ist - sondern ein Symptom verbietet gibt sich auf. Lösungen sind nicht einfach, und sie werden nicht schnell sein. Es braucht Sozialarbeit, es braucht Angebote, es braucht Gespräche und Aushalten von Dingen, die man selbst nicht gerne sehen will. Was es nicht braucht ist ein Schlafverbot.

Ich stelle mir vor, die Ordnungsbeamte durch die Stadt gehen werden und Menschen in Schlafsäcken aufscheuchen. "Aufwachen! Aufstehen! Schlafen verboten!" Und wie die Menschen ihre Schlafsäcke unter den Arm nehmen und im Schneefall zwei Häuserblocks weiterziehen.

Have you seen the old man in the closed down market? Picking up the papers with his worn out shoes. In his eyes you see no pride - hand held loosely at his side. Yesterdays papers telling yesterdays news. - Streets of London kommt mir in den Sinn wenn ich mir das vorstelle. Oder auch Anatole France, den ich den Entscheidungsträgern mitgeben möchte, wenn sie sich morgen im Innsbrucker Stadtsenat treffen:

"Das Gesetz in seiner majestätischen Gleichheit verbietet es den Reichen wie den Armen gleichermaßen, unter Brücken zu schlafen."

Donnerstag, 3. November 2016

Gedenken an die NS-Opfer oder an die Täter?


Wem soll man gedenken? Den Opfern des NS-Regimes oder denjenigen, die auf der Täterseite standen? Wenn man die Frage so stellt, dann ist die Antwort wohl klar. Wenn man sie ein bisschen konkreter stellt, dann wird sie in Tirol plötzlich schwierig. Zum Beispiel: Soll man ein Denkmal für Alt-Landeshauptmann Eduard Wallnöfer aufstellen?

So soll die Statue aussehen, 2,7 Meter hoch und 130.000 Euro schwer.

Am Landhausplatz steht das Befreiungsdenkmal. Es wurde bewusst dem NS-Gauhaus gegenübergestellt und erinnert an die Befreiung 1945 und - wie die Inschrift zeigt - an "die für die Freiheit Österreichs Gestorbenen." Im Jahr 1995 wurde auf Initiative des Jugendlandtages der Landhausplatz um eine Menorah ergänzt, die an die jüdischen Opfer der Reichspogromnacht 1938 in Innsbruck mahnt. Über die Jahre wurden Namen von Opfern des Widerstands gegen das NS-Regime auf den Denkmälern ergänzt.

So wurde der Landhausplatz sukzessive zu einem Ort des Gedenkens an die Opfer der NS-Diktatur. Und auf diesen Platz soll nun eine Statue von Eduard Wallnöfer - zumindest wenn es nach dem Wunsch von Wallnöfers Schwiegersohn Herwig Van Staa geht. Überlebensgroß. 130.000 Euro teuer. Aber leider stand Eduard Wallnöfer in der NS-Zeit auf der falschen Seite der Geschichte wie man heute weiß. Wallnöfer war NSDAP-Mitglied und NSDAP-Mitläufer.

Auch sonst kann man über das Wirken von Eduard Wallnöfer durchaus diskutieren, etwa über seine Rolle in Sachen Agrargemeinschaften, wo sein Handeln erst durch den Verfassungsgerichtshof korrigiert werden konnte.

Ich frage mich außerdem, wer eigentlich den Auftrag für dieses 130.000 Euro-Werk gegeben hat. Der Tiroler Landtag war es jedenfalls nicht. Die Tiroler Landesregierung war es auch nicht. Beide haben nie einen Beschluss gefasst. Wer war es dann? Nun sollen Gelder der Tiroler Landesgedächtnisstiftung dafür verwendet werden, die eigentlich dazu dienen sollten, Stipendien für SchülerInnen und Studierende zu vergeben oder das baukulturelle Erbe Tirols zu erhalten. Von der Errichtung von Statuen für Altlandeshauptleute ist im Gesetz über die Landesgedächtnisstiftung jedenfalls nicht die Rede. Umso erstaunlicher, dass in der Landesgedächtnisstiftung auch die SPÖ dieser Finanzierung zugestimmt hat.

Der Landhausplatz ist der denkbar schlechteste Ort für so eine 2,70 Meter hohe Statue, wie der Historiker Horst Schreiber heute in der Tiroler Tageszeitung erklärt hat. Für mich ist die Frage noch ein bisschen größer. Für mich ist das auch eine Frage der politischen Grundhaltung.

Will eine Partei rückwärtsgewandt beim Wissensstand von 1994 stehen bleiben, als der Landhausplatz in Eduard-Wallnöfer-Platz umbenannt wurde? Oder hat man in den 22 Jahren, die seither vergangen sind etwas über Wallnöfer gelernt? Seine NSDAP-Mitgliedschaft beispielsweise oder eben seine Rolle in Sachen Agrargemeinschaften.

1994 konnte man noch sagen "Ich habe von nichts gewusst." 2016 kann das niemand mehr sagen.

Über Eduard Wallnöfers Nazi-Mitläuferschaft wissen wir Bescheid. Und wir können entscheiden, ob wir rückwärtsgewandt bleiben wollen und die Fakten ignorieren. Oder ob Tirol eine offene Gesellschaft sein soll, die einen kritischen Umgang mit ihrer Geschichte pflegt. So haben wir es 2013 auch ins schwarzgrüne Koalitionsabkommen geschrieben: Die Erinnerungskultur soll in Kooperation mit wissenschaftlichen Einrichtungen geschehen, vor allem betreffend die NS-Zeit, ihre Vorgeschichte und ihre Folgen. Eine überlebensgroße Statue von Eduard Wallnöfer widerspricht diametral dem Geist des schwarzgrünen Koalitionsabkommens, davon bin ich überzeugt.

Wer auf der richtigen Seite der Geschichte stehen will verzichtet auf diese Statue am Landhausplatz.