Ich bin weit davon entfernt, ein vollständiges oder auch nur halbwegs ausgewogenes Bild der Situation wiedergeben zu können. Ich kann nur einige meiner Eindrücke schildern und hoffen, dadurch Aufmerksamkeit auf eine Region an der syrischen Grenze und auf die Hoffnungen, Wünsche und Ängste der Menschen dort zu richten.
Organisiert vom Friedensblock Istanbul bestand unsere Delegation schlussendlich aus österreichischen Grünen MandatarInnen - Berivan Aslan, Mesut Onay und mir, deutschen Bundestagsabgeordneten, einer niederländischen Parlamentsabgeordneten sowie Journalisten, einigen NGO-VertreterInnen aus Deutschland sowie dem türkischen HDP-Abgeordneten Levent Tüzel und weiteren türkischen BegleiterInnen. Unser Ziel war Cizre. Angekommen am Flughafen in Mardin hieß es: Ausgangssperre in Nusaybin - ob wir bereit wären, dort hin zu fahren. Wir waren bereit.
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Von den BewohnerInnen wurden nach der 15tägigen Ausgangssperre Straßenblockaden errichtet. Dort ist man fest entschlossen, keine türkischen Sicherheitskräfte mehr in die Stadt zu lassen. |
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Die abgesetzte Bürgermeisterin von Cizre erklärt uns die Situation vor Ort. Viele Menschen haben nach den dramatischen Erfahrungen mit ihren vielen Todesopfern die Stadt verlassen. |
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Nicht nur Wassertanks waren überwiegend zerschossen, auch die Klimaanlagen der Häuser waren demoliert. Bei unserem Besuch hatte es etwa 30 Grad Celsius - zwei Wochen zuvor war es noch heißer. |
Einschusslöcher an vielen Häusern, zerstörte Stromleitungen. |
Kurdische PolitikerInnen und ihre MitarbeiterInnen erklären uns ihre Sicht der Situation. |
Für mich waren viele der Erfahrungen neu. Ich hatte keine Vorstellung davon, was man sich unter einer Ausgangssperre tatsächlich vorstellen muss. Als eine Frau erzählte, dass ihre Tochter erschossen wurde und sie nicht die Möglichkeit hatte das Haus zu verlassen und sie deshalb für zehn Tage in die Gefriertruhe gelegt hat, hatten wir alle Tränen in den Augen.
Beeindruckt hat mich besonders, dass alle unsere GesprächspartnerInnen zwar Trauer, aber keine Angst und auch keine Verbitterung oder Rachegefühle zeigten. Sicher, ich weiß nicht wie es in ihnen drin aussieht. Aber ausgedrückt haben sie den Wunsch nach Frieden, nach Sicherheit und Demokratie. Das sind die Kräfte, die wir stärken müssen. Ich hoffe unser Besuch konnte ein bisschen dazu beitragen, dass die Menschen vor Ort wissen, dass sie nicht allein sind und die Welt auf sie schaut. Es ist allen Menschen zu wünschen, dass die Situation nicht noch mehr eskaliert, sondern friedliche und freie Wahlen möglich sind, damit der Friedensprozess und die soziale Frage, die dahintersteht weitergehen können.
Auf unserer Rückfahrt kamen wir noch an einem jesidischen Flüchtlingslager vorbei: Hinter Stacheldraht wohnen Tausende Menschen in Zelten, fernab von der nächsten Stadt. Und auch wenn das Leben in der Region seinen Gang geht: Es war ein mehr als mulmiges Gefühl in Diyarbakir zu sehen, wie zwischen zivilen Airlinern ständig Rotten von Militärjets in den blauen Himmel Richtung Süden starten und mit lautem Gebrüll als kleine Punkte verschwinden.
Diese Delegationsreise ist von mir privat bezahlt.