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Dienstag, 19. Dezember 2017

Die FPÖ richtet es sich wie es ihr passt

Dass es der FPÖ nicht darum geht, zum Zusammenhalt der Gesellschaft beizutragen ist aufmerksamen BeobachterInnen schon bekannt. Selten jedoch wurde dies so deutlich wie beim Umgang mit dem Thema Menschen auf der Flucht.

Wenn viele Menschen auf engem Raum untergebracht werden gibt es Schwierigkeiten. Das ist logisch und nachvollziehbar. Deshalb ist es auch nur logisch, dass es in großen Flüchtlingsheimen immer wieder Schwierigkeiten gibt. Die BetreuerInnen bemühen sich - aber man stelle sich vor wie die Stimmung wäre wenn man mit 120 TirolerInnen wochenlang auf einer Schutzhütte eingeschneit wäre. Lagerkoller und Aggression, kein Wunder.

Die Unterbringung in großen Heimen ist also nicht ideal. Sie ist manchmal notwendig, weil es organisatorisch gerade nicht anders geht. Es gibt bestimmte Gruppen, wo die entsprechenden Qualitätsstandards so leichter erfüllt werden können, beispielsweise wenn unbegleitete minderjährige Flüchtlinge gemeinsam untergebracht werden. Aber Idealzustand ist das keiner. Förderlich für die Integration und für die Selbstverantwortung von Menschen auf der Flucht ist die Unterbringung in kleinen Einheiten. Dort ist am ehesten garantiert, dass Flüchtlinge sich nicht in großen Gruppen den ganzen Tag langweilen und auf blöde Ideen kommen, sondern dass sie sich sinnvoll in einer Gemeinschaft engagieren. Deutsch lernen. Integrieren. Auf eigenen Beinen stehen.

Das sah sogar die FPÖ Tirol so. Hier zum Beispiel, vor ziemlich genau einem Jahr:


Hier wird scharfe Kritik an Massenquartieren geäußert. "Wir forderten im Landtag die dezentrale Unterbringung von Flüchtlingen in Kleineinheiten" schreibt die FPÖ hier. Und wie sieht es ein Jahr später aus, als die FPÖ in die Bundesregierung fiel?


"Keine individuelle Unterbringung" heißt es nun im FPÖVP-Regierungsprogramm. Es gibt sogar eine Absage an eigenverantwortliche Haushaltsführung. Das bedeutet, dass Flüchtlinge in Massenquartieren untergebracht werden sollen, gestern auch noch einmal in einem Interview von der FPÖ so bestätigt. What could possibly go wrong?

Für mich sind FPÖ-Politiker, die so handeln Pharisäer. Es bestätigt sich, dass die FPÖ die Flüchtlingskrise nicht lösen will. Sie wollen möglichst viele Probleme durch Flüchtlinge, damit sie anschließend dagegen hetzen können. Das ist das Gegenteil von verantwortungsvoller Politik.

Meine Vision sieht anders aus: Ich will möglichst wenig Gewalt. Ich will möglichst wenig Probleme durch Flüchtlinge. Ich will dass sie Deutsch lernen, dass sie eine Berufsausbildung nutzen und selbst arbeiten. Ich will, dass sie sich integrieren. Ich will, dass sie selbständig leben und Steuern zahlen. Die FPÖ will, dass Flüchtlinge den ganzen Tag nichts zu tun haben und in großen Quartieren möglichst viele Probleme entstehen.

In der Vergangenheit waren Großquartiere immer wieder einmal nötig, weil dezentrale Unterbringung nicht immer auf die Schnelle möglich war und ist. Das ist natürlich in den Heimen und drumherum manchmal eine Belastung. Und die FPÖ will nun mehr von dieser Belastung. Wenn jemand wissen wollte, wie Politik auf dem Rücken von Menschen und ohne Rückgrat und Gewissen aussieht: so sieht das aus.

Mittwoch, 20. April 2016

Wie man es macht...

Über Monate stand Tirol in der Kritik, weil die Quote zur Unterbringung von Menschen auf der Flucht nicht erfüllt wird. "Schaut nach Vorarlberg, dort gibt es in jeder Gemeinde Flüchtlinge" hieß es dann oft.

Nun, in Tirol war der Weg holprig. Die Rolle der Bürgermeister ist sehr stark und der Tiroler Volkspartei war ein Weg des Konsenses mit den Gemeinden wichtig. Und Gemeinderatswahlen waren ja auch noch. Das Ergebnis war eindeutig: In der Hälfte der Gemeinden gibt es keine Unterbringungsplätze für Menschen auf der Flucht.

In ausführlichen Diskussionen haben wir uns in der schwarzgrünen Koalition aufeinander zu und in Richtung einer Lösung bewegt: Die Tiroler Landesregierung fordert die Solidarität der Gemeinden ein. Und für jene Gemeinden, die sich solidarisch zeigen soll sich das auch finanziell lohnen.

In der Folge wurden Instrumente entwickelt, wie das effektiv gehen kann. Natürlich finden das nicht alle Gemeinden ganz lustig - insbesondere jene, die bisher die Solidarität bei der Unterbringung von Menschen auf der Flucht vermissen lassen haben. Dass sich ausgerechnet der Gemeindeverbandspräsident nun aber vor den Karren jener Gemeinden spannen lässt, die sich - auf Kosten anderer Gemeinden - aus der solidarischen Verantwortung stehlen wollen ist schon eigenartig. Und medial schreiben jene, die sich bisher darüber beklagt haben, dass das Land die Daumenschrauben bei unsolidarischen Gemeinden nicht ansetzt darüber, dass wir nun Druck machen.  Egal wie man es macht scheint es für manche falsch zu sein.

Es gibt wirklich so Momente, wo man als Politiker den Kopf schüttelt. Mag sein, dass ich eine beschränkte Wahrnehmung in manchen Dingen habe und nicht alles sehe, was man sehen soll. Aber:

1. Wir müssen Menschen auf der Flucht in Tirol unterbringen, ob wir wollen oder nicht.
2. Am leichtesten geht das, wenn alle Gemeinden solidarisch sind.
3. Das Land hat die Verantwortung, die Solidarität auch einzufordern.
4. Wenn es freiwillig nicht geht muss man sagen: There is no free lunch. Verbandspräsidenten hin oder her.


Mittwoch, 30. März 2016

Das 1.300 Kilometer-Essen

In den vergangenen Wochen gab es nachvollziehbarerweise Empörung aufgrund einiger Medienmeldungen zum Thema Essen für Flüchtlinge in Tirol. 500 Kilometer weit werde das Essen angeliefert hieß es in der ersten Meldung. 1.300 Kilometer wurden daraus in den folgenden Meldungen. Das sei wohl die neueste Transitinitiative der Grünen ätzten andere.

Einige Fakten zur Aufklärung und eine erfreuliche Änderung:

Die große Anzahl von Menschen auf der Flucht, die in Tirol in der Grundversorgung zu betreuen sind hat das Land Tirol bekanntlich vor große Herausforderungen gestellt. Manche Herausforderungen konnten bereits besser bewältigt werden, an anderen wird intensiv gearbeitet. Eine der Herausforderungen ist natürlich auch, die Menschen zu verpflegen. Und zwar am besten mit Essen das ihnen schmeckt, das möglichst regional hergestellt wird, flexibel verfügbar und zu einem kalkulierbaren Preis angeboten wird.

Dafür muss man wissen, dass es zwei unterschiedliche Formen der Essensverpflegung von Menschen auf der Flucht in Tirol gibt. Zum einen die sogenannten Selbstversorger. Das sind Flüchtlinge, die Geld auf die Hand bekommen, mit dem sie sich dann in den lokalen Lebensmittelmärkten eindecken können und das Essen auch selbst zubereiten. Und dann gibt es sogenannte Vollversorger, das sind Menschen für die gekocht wird. Das sind zumeist Menschen in großen Flüchtlingsheimen, wie es zum Beispiel die Paschberghalle in Innsbruck ist und noch für zwei weitere Wochen sein wird. Für diese Verpflegung griffen die Tiroler Sozialen Dienste auf das Angebot der Firma Apetito zurück. Über das Essen haben sich die Flüchtlinge selbst häufig beschwert - und dann ist da noch die Sache mit der Regionalität: Tatsächlich handelt es sich um einen deutschen Anbieter mit einer Niederlassung in Österreich. Wo sie die Lebensmittel einkaufen ist im Einzelnen schwer nachzuvollziehen.

Allerdings, und hierbei wäre Recherche hilfreich gewesen: Ca. 6.500 AsylwerberInnen gibt es derzeit in Tirol. 6.000 von ihnen waren auch bisher schon Selbstversorger oder wurden lokal versorgt. Bleiben ca. 500, für die auf das portionierte Essen mit den vielen Kilometern zurückgegriffen wurde. Sicherlich keine schöne Sache und nur aus der Eile der Entscheidungen erklärbar, aber dennoch mit ca. 10% doch der kleiner Anteil an Menschen auf der Flucht in Tirol.

Aber auch 10% ist natürlich zu viel. Mit dem Ersatz der bisherigen schnell eingerichteten großen Quartiere durch besser geplante Flüchtlingseinrichtungen und dem Anstieg der Selbstversorgung sollen auch diese 10% zukünftig mit regional produzierten Lebensmitteln versorgt werden. Die TSD sind also dabei, dass durch den Ausbau der Selbstversorgung der Anteil der zugekauften Vollversorgung möglichst gering wird. Und um diesen Anteil noch weiter zu senken wird bereits an Lösungen mit lokalen Herstellern gearbeitet. Damit wir bald sagen können, dass das Essen auch für Flüchtlinge nicht 1.300 Kilometer auf dem Buckel hat sondern so ist, wie wir das für alle Menschen wollen: bio, regional und saisonal. Im Sinne der Flüchtlinge und im Sinne der Tiroler Landwirtschaft.

Montag, 22. Februar 2016

"...erkämpft das Menschenrecht!"

Die Sozialdemokratie hat unzweifelhaft Verdienste von historischer Dimension auf der Welt, und auch im kleinen Österreich. Der 8-Stunden-Tag. Das Pensionssystem. Unfallversicherung. Krankenversicherung. Pensionsversicherung. Ein modernes Familienrecht. Das Verbot von Vergewaltigung in der Ehe. Die Mindestsicherung - die Liste lässt sich beliebig fortsetzen. Eine ganze Latte von menschenfreundlichen Errungenschaften aus 150 Jahren Sozialdemokratie. "Die Internationale erkämpft das Menschenrecht" heißt es im internationalen Kampflied der Arbeiterklasse.

Und was haben sie daraus gemacht? 

In der vergangenen Woche haben mich viele Schlagzeilen aufgeregt. Ein Untertitel aber ganz besonders, und den hat die Tiroler Sozialdemokratie selbst geliefert:


"Am Brenner Rücksicht auf PendlerInnen und Güterverkehr nehmen. Verteidigungsministerium zum 'Sicherheitsministerium' aufwerten." heißt es da.

Was fällt der Tiroler Sozialdemokratie also dazu ein, dass 20 Jahre nach Fall des Grenzbaumes am Brenner nun die Abschottung Österreichs dort durch einen Zaun signalisiert werden soll? Dass der Warenverkehr frei bleiben muss. Und "freie Fahrt für unsere Leut."

So war das in der Internationalen aber nicht gemeint wenn ich mich nicht irre. Überhaupt ist die derzeitige Diskussion absurd. Von mehreren Seiten wird gefordert, dass es für den Güterverkehr am Brenner eigene Abfertigungsspuren auf der Autobahn geben soll. Von sicheren Korridoren für Menschen auf der Flucht hingegen höre ich wenig. 20 Jahre kämpfte Tirol gegen den Gütertransit und für den freien Personenverkehr. Und plötzlich soll es genau umgekehrt sein.

"Ich kenn mich nicht mehr aus: Österreich für die Brennergrenze und Italien dagegen" postete ein Freund von mir auf Facebook. Tatsächlich, in den Zeiten des Newspeak dreht sich vieles um.

Aber auch der zweite Satz verdient nähere Betrachtung: Das "Verteidigungsministerium zum 'Sicherheitsministerium' aufwerten" will die Sozialdemokratie nun, seit der Büroleiter des burgenländischen Landeshauptmannes zum Verteidigungsminister avancierte. 80 Jahre nach den Ereignissen vom Februar 1934, als in Österreich auf Arbeiter geschossen wurde.

Das Bundesheer soll nicht im Inneren eingesetzt werden - das war bisher eine der Grundkonstanten der zweiten Republik. Und auch, dass der Dienst an der Grenze Aufgabe des Inneren ist. Nach einigen Monaten Flüchtlingsdiskussion brechen aber die Dämme in der Sozialdemokratie.

Die Warlords von ÖVP und SPÖ

Damit hier jetzt kein falscher Eindruck entsteht. Nicht nur die Dämme in der Sozialdemokratie brechen. "Grenzen setzen" plakatiert auch die Volkspartei. Wenn die Freiheitlichen jeden mit einer schiefen Nase am liebsten bis über den Bosporus deportieren möchten dann sollte das auch niemanden überraschen. Dass Medien willfährig von "Fluten" und "Strömen" und "Wellen" schreiben ist leider auch beinahe zur Normalität geworden. Dass sich Innenministerin (VP) und Verteidigungsminister (SP) wie Warlords auf einem LKW präsentieren ist neu:


Übrigens, für alle die genau geschaut haben: Das war nicht deshalb, weil das eben die einfachste Möglichkeit war, besser zu sehen. Für die Warlords aus ÖVP und SPÖ wurde eigens eine Holztreppe errichtet, damit sie den LKW erklimmen können:


Notabene: Das sind exakt die zwei Personen, die mit betroffenen Gesichtern in einer Pressekonferenz saßen als 71 Menschen in einem Kühl-LKW an der burgenländischen Grenze erstickt sind. Schlepper haben versucht, das dortige "Grenzmanagement" zu umgehen. Und die gleichen Personen bauen jetzt Grenzbarrieren, egal wie man sie im Newspeak dann nennt.

Mich ekelt die derzeitige Kriegsrhetorik einfach nur noch an. Und ja, ich habe auch nicht Antworten auf alle Fragen. Ich habe auch nicht Tausende Flüchtlingsunterkünfte, die wir eigentlich bräuchten. Ich weiß, dass die Integration eine große Herausforderung wird. Ja, ich weiß dass wir mehr Deutschkurse organisieren müssen. Ja, ich weiß, dass der Arbeitsmarkt eine komplexe Sache ist.

Aber ich weiß jedenfalls, dass wir das versuchen müssen. "Seien wir realistisch, versuchen wir das Unmögliche" - das Zitat stammt angeblich von Che Guevara. Wir haben überhaupt keine Alternative dazu - außer selbst unmenschlich zu werden. Diese Entmenschlichung ist derzeit im Gang. Sie zeigt sich am Brenner. Sie zeigt sich im Großen und im Kleinen, bis hin zur Tiroler Sozialdemokratie, die schon mal auf ihre Herkunft vergisst.

Die deutschen Grünen haben eine Kampagne gestartet, die mich ins Herz getroffen hat. Sie zeigt nämlich, wo die Flüchtlingsdiskussion inzwischen angelangt ist. Es geht nicht mehr nur um einzelne kleine Diskussionen. Es geht um Grundfragen. Sind wir noch Menschen? Entscheiden wir uns für das Menschenrecht oder dagegen? Die Kampagne der deutschen Grünen heißt deshalb auch ganz schlicht und einfach:

"Jetzt Mensch bleiben!"

Andere Ansichten, anyone?

Freitag, 13. November 2015

Regieren so oder so

Derzeit kann man sich in Österreich wirklich sehr anschaulich unterschiedliche Arten des Regierens live geben: Da ist zum einen die Performance der Bundesregierung. Zaun oder nicht Zaun in Spielfeld - an dieser Frage scheint die Koalition im Bund schon zu scheitern. Mir kommt vor, dass es dort keinerlei Willen gibt, Gegensätze zu überbrücken.

Auch in Tirol sind wir uns in der Koalition durchaus nicht immer einig. Wir haben manchmal sogar sehr unterschiedliche Ansichten, wie eine Herausforderung anzugehen sei. Den Unterschied macht aber, dass wir immer bereit sind uns zusammenzusetzen um eine Lösung zu erzielen.

Während die Bundesregierung also um Zäune streitet haben wir uns in Tirol in der schwarzgrünen Koalition darauf geeinigt, welche zusätzlichen Maßnahmen seitens des Landes für die Integration von Flüchtlingen dringend notwendig sind. Dabei geht es nicht um die Sofortmaßnahmen, sondern es geht darum, langfristig Integration und damit auch Selbständigkeit und wirtschaftlichen Erfolg zu ermöglichen. Und es geht auch darum, den vielen Freiwilligen in der Flüchtlingsarbeit Unterstützung zu geben.

Aus dem dieswöchigen Beschluss der Tiroler Landesregierung zur Integration von Flüchtlingen von Anfang an:

1) Maßnahmen der Wohnungssuche insbesondere für asylpositive Personen, Kofinanzierung Projekt AMIF; €.140.000,-

2) Finanzierung von Stützkräften in Schulen für Flüchtlingskinder - Pilotprojekte; € 400.000,-

3) Begleitung von Jugendlichen in und während der Lehre; € 180.000,-

4) Mittel für ESF-Kofinanzierungen für Maßnahmen zur Arbeitsintegration; € 300.000,-

5) UMF-Buddysystem/Patenschaften; € 43.000,-

6) Ausbau der psychosozialen Versorgung von traumatisierten Flüchtlingen; € 100.000,-

7) Finanzierung von Dolmetschkosten; € 100.000,-

Beschlüsse zu Deutschkursen und weiteren Integrationsmaßnahmen werden folgen. Das sind übrigens - weil ich mir schon denken kann welche Kommentare jetzt gleich auftauchen werden - nicht Gelder, die die Flüchtlinge erhalten. Das sind Gelder, mit denen Arbeitsplätze für Tirolerinnen und Tiroler geschaffen werden.

Egal ob man nun die einzelnen Maßnahmen gut oder weniger gut findet: JedeR kann sich anschauen, dass die Tiroler Landesregierung Probleme beim Schopf packt - während die Bundesregierung damit beschäftigt ist, sich Unfreundlichkeiten über die Zeitung auszurichten.

Mittwoch, 4. November 2015

Die Integrationsverweigerer

Wie man der FPÖ dauerhaft Stimmen sichert zeigen derzeit SPÖ und ÖVP in der Bundesregierung vor. Und zwar dadurch, dass sie aufgrund kurzfristiger populistischer Überlegungen Integrationsschwierigkeiten für Jahrzehnte in Kauf nehmen. Zwei Beispiele:

 1.
Wenn man will, dass Flüchtlinge die nach Österreich möglichst nicht Deutsch lernen, möglichst keine Ausbildung machen, möglichst keinen Job suchen sondern sich denken, dass sie die paar Jahre wohl im Sozialsystem überleben werden und dann zurückgehen, dann führt man am besten „Asyl auf Zeit“ ein. „Asyl auf Zeit“, das führt dazu, dass Flüchtlinge die bei uns sind mit dem Kopf immer irgendwo anders bleiben, weil sie davon ausgehen müssen, dass sie in drei Jahren wieder zurückgeschickt werden. Nach Syrien, nach Eritrea, nach Afghanistan. „Asyl auf Zeit“ bedeutet, Integration vorsätzlich zu verhindern. Und in einigen Jahren wird die FPÖ dann plärren, dass hier Menschen sind die noch nicht ordentlich Deutsch gelernt haben, die keine Ausbildung gemacht haben oder keinen Job gesucht haben. Und niemand wird sich mehr daran erinnern, dass SPÖ und ÖVP diesen Zustand aus Feigheit vor der FPÖ selbst herbeigeführt haben. Die Grüne Haltung dazu ist jedenfalls klar: Heute und auch in Zukunft – wir wollen, dass sich Menschen integrieren und auf eigenen Beinen im Leben stehen können. Das muss man ihnen dann auch ermöglichen.

2.
Wenn man will, dass Flüchtlinge zerrissen bleiben zwischen ihrem Fluchtland und Österreich, dann ist es am besten wenn man einen Teil ihrer Familie dort lässt wo sie bisher sind. Wenn man will, dass sie sich tatsächlich in Österreich eine eigene Zukunft aufbauen, dann muss man ihren Lebensmittelpunkt auch nach Österreich verlegen. Und das bedeutet, dass die Familie - PartnerIn, Kinder, Mutter, Vater – auch hier eine eigenständige Zukunft aufbauen können müssen. SPÖ und ÖVP verschärfen derzeit – auch wieder aus Angst vor der FPÖ – die Bestimmungen zum Familiennachzug. Das ist unglaublich familienfeindlich und noch dazu wirtschaftlich unsinnig. Von der moralischen Frage will ich noch gar nicht reden: Können wir uns vorstellen was es heißt, hier in Österreich Schutz gefunden zu haben und zu wissen, dass die Mutter sich noch in Aleppo im Bombenhagel im Badezimmer versteckt, weil das der einzige Raum ohne Fenster ist?

 Die Integration von Flüchtlingen ist eine Herausforderung, da gibt es nichts drumherumzureden. Aber neben der moralischen Frage gibt es auch eine wirtschaftliche Frage: Flüchtlinge sollen dauerhaft selbständig leben können. Das zu verhindern haben sich die Integrationsverweigerer vorgenommen: nicht mehr nur FPÖ sondern auch SPÖ und ÖVP.

 Ich frage mich: wo bleibt der Aufschrei der Landesparteien der großen staatstragenden Volksparteien angesichts dieser Entwicklung? Wann meldet sich der humanistisch gebildete Karl-Heinz Töchterle zu Wort und zeigt seiner Partei, was moralische Verantwortung und wirtschaftliche Vernunft bedeuten?

 Die schwarzgrüne Tiroler Landesregierung bekennt sich in ihrer Grundsatzerklärung zur Flüchtlingspolitik eindeutig zu Bildung und Beschäftigung für Flüchtlinge: wir bekennen uns zur Integration. Tun dies auch die Integrationgsverweigerer in der Bundesregierung?

Dienstag, 8. September 2015

Gemeinsam schaffen wir das

Gestern und heute fand die Herbstklausur der Landesregierung im Lechtal statt. Im neu errichteten Naturparkhaus in Elmen konnten wir intensiv diskutieren und am Lechweg konnten wir uns vom touristischen Erfolg des Naturparks überzeugen.

Wanderung am Lechweg bei der Herbstklausur

Tagung im Naturparkhaus Tiroler Lech

Hauptthema war die Frage der Versorgung von Flüchtlingen in Tirol. Die Landesregierung hat eine Grundsatzerklärung beschlossen, in der wir uns zur hohen Qualität der Versorgung in Tirol bekennen, zur uneingeschränkten Geltung der Genfer Flüchtlingskonvention aber auch zur Schaffung legaler Fluchtmöglichkeiten nach Europa oder über den Zugang zur Lehre. Gleichzeitig nehmen wir den Bund in die Pflicht, der seine Verantwortung nicht wahrnimmt und die Landesregierung selbst macht ihre Hausaufgaben, indem wir gemeinsam an einer Integrationsstrategie arbeiten. Es ist ja nicht damit getan, dass Flüchtlinge ein Dach über dem Kopf bekommen sondern es muss auch eine Schiene geschaffen werden, wie die Fehler der Integration der vergangenen Jahrzehnte nicht wiederholt werden. Das beginnt bei unmittelbaren Deutschkursen und endet bei Berufsorientierung und Arbeitsmarktintegration. Ich finde das beeindruckend, wie sich das Klima in Tirol hier geändert hat. Man stelle sich vor, wie die Stimmung und die reale Versorgung von Flüchtlingen wäre wenn die FPÖ in der Landesregierung wäre. Hier gibt es den Regierungsbeschluss zum Nachlesen.

Unter den vielen Themen mit denen wir uns im Naturparkhaus beschäftigt haben war aber auch das Thema leistbares Wohnen. Wir werden die Zinsbelastung für Wohnbauförderungsdarlehen deutlich senken und zu einer Entlastung beitragen. Das wird so weit gehen, dass sogar mehrere zinslose Jahre in der Wohnbauförderung möglich sind. Die Entlastung wird auch für bestehende Wohnbauförderungsdarlehen gelten und sofort 20 Millionen Euro Entlastung für die TirolerInnen im Jahr bringen. Damit wird Wohnen billiger und die Menschen haben mehr Geld zur Verfügung, das die Konjunktur ankurbeln kann. Ich freue mich, dass das finanziell für das Land Tirol möglich ist - Details folgen demnächst. Man sieht jedenfalls: Die schwarzgrüne Landesregierung packt die großen Herausforderungen an, von Flüchtlingen bis Wohnen: gemeinsam schaffen wir das.

Freitag, 28. August 2015

Der Tod aus dem Mittelmeer in Parndorf

Nun ist er zu uns gekommen. Der Tod aus dem Mittelmeer. Er findet auf unserer Autobahn statt: 70 tote Menschen, teils bereits verwest. 70 hoffnungsvolle Herzen, auf der Suche nach dem Leben - erstickt.

Wenn ich die Bilder sehe, dann überkommt es mich unwillkürlich. Ich denke an die Bilder von Vergasungswagen der Nationalsozialisten. Dort hat man die Opfer hineingetrieben, ersticken lassen und dann lagen sie zusammengesackt drin - genauso wie es auf den Bildern aus Parndorf aussieht. Vor allem im Feldzug gegen die Sowjetunion waren die Gaswagen hinter den Linien im Einsatz - Hunderttausende ließen darin ihr Leben.

Nun also 70 Tote bei uns im LKW. Das ist noch einmal ein anderes Gefühl als die Tausenden, die im Mittelmeer auf der Flucht ersaufen. Und ich frage mich: Könnte mir das auch passieren?

Ich versetze mich in die Situation eines Syrers. Nach vier Jahren Bürgerkrieg. Mit Fassbomben, mit Folter durch das Assad-Regime, mit Enthauptungen durch IS-Verbrecher, Verbrennungen bei lebendigem Leib - ich würde fliehen, wenn ich irgendwie könnte. Ich würde fliehen so schnell ich könnte und so weit ich könnte. Würde ich an der Grenze bleiben und warten, bis die IS-Schergen in der Türkei zuschlagen wie bereits geschehen? Würde ich im Libanon bleiben, im Würgegriff der Hezballah, die Flüchtlingslager kontrolliert? Nein, ich würde fliehen so weit ich kann.

Vielleicht würde ich sogar nach Mitteleuropa fliehen. Möglichst nahe an Genf, wo die Genfer Flüchtlingskonvention herkommt. Dieses große Werk der Menschenrechte. Kein Land darf einen Flüchtling von seiner Grenze zurückweisen, wenn dadurch sein Leben gefährdet wird heißt es in Artikel 33 der Genfer Konvention. Das kann nicht nur geografisch gemeint sein. Ein Land hat seine Verantwortung wahrzunehmen, dass seine Grenzen nicht töten.

Wüsste ich als Flüchtling, wie man sicher nach Europa kommt? Nein, ich wüsste nicht wie man Grenzen unbeobachtet überquert. Ich wüsste nicht, wie man Grenzflüsse durchwatet, wie man in einem Land sicher vor der Polizei und vor den Schergen aus Syrien ist.

Vielleicht bräuchte ich Hilfe. Fluchthelfer mag man sie nennen, oder von mir aus auch Schlepper. Großherzige Menschen werden darunter sein, Geschäftemacher werden darunter sein, Skrupellose und Menschenfreundliche - so wie eine Gesellschaft sonst auch ist, und wie sie sich in einer Notlage zuspitzt. Es wäre mir egal, warum sie mir helfen. Ob sie nur an mir verdienen wollen oder ob sie mir etwas Gutes tun wollen. Ich würde versuchen, ihre Motive zu prüfen, und zitternd würde ich mich in ihre Hände begeben. Wenn sie zu mir sagen: Steig in den LKW - wahrscheinlich würde ich es machen. Auch mit 69 anderen. Die Fahrt geht los, Licht aus.

Wenn wir an die Zeit des Nationalsozialismus zurückdenken, dann finden wir die Position der  Schweiz meist untragbar: Wie kann man nur Menschen in einer Notlage an der Grenze zurückweisen? Oder man denke sich wie wir es beurteilen würden wenn die BRD Flüchtlinge über die Mauer zurück in die DDR geschickt hätte. Oder Südkorea Flüchtlinge zurück in den Norden. Und ich frage mich: Um wie viel anders sind wir heute? Klar, man kann auch sagen: Bleibt in Ungarn, bleibt in Italien - dort ist es auch sicher. Ich finde es trotzdem unmenschlich, Hilfesuchende an der Türschwelle abzuweisen. Wir werden doch zumindest einen Stall für sie haben?

Früher konnte man Asylanträge für Österreich auch an den österreichischen Botschaften im Ausland stellen. Das geht schon länger nicht mehr. Dafür muss man sich bis nach Österreich durchschlagen. Dafür braucht man Schlepper. Wer sich dieses System ausgedacht hat, der liefert Menschen den Schleppern aus - und macht sich somit mitschuldig an den Toten von Parndorf.

In einer Situation wie wir sie heute vorfinden, mit ihren Millionen von Flüchtlingen da reicht ein individueller Asylantrag in der österreichischen Botschaft in Ankara aber wahrscheinlich nicht aus. Da braucht es Resettlementprogramme und es braucht sichere Korridore für Flüchtlinge.

Ein Perspektivenwechsel: Wenn wir historisch über Fluchtbewegungen nachdenken, dann haben die Aufnahmeländer von der Flüchtlingen profitiert: Die USA von den Religionsflüchtlingen aus Europa etwa, aber auch von den Wirtschaftsflüchtlingen aus Irland. Deutschland und Südafrika von den geflüchteten Hugenotten. Österreich von den Flüchtlingen aus Ungarn. Die Liste lässt sich fortsetzen. Das war nie einfach, aber schlussendlich war dort, wo die Flüchtlinge angekommen sind Leben für alle. Statt nun den Flüchtlingen die Schuld an ihrem eigenen Tod zu geben, statt auf die Schlepper  zu zeigen - ob großherzig oder skrupellos - fragen wir uns lieber, welche Möglichkeiten die österreichische Politik hat, damit Menschen nicht auf LKW-Ladeflächen verrecken müssen.

Mittwoch, 29. Juli 2015

Schneller Platz für Menschen in Not schaffen

Die Zustände im Flüchtlingswesen in Österreich sind eines der reichsten Länder der Welt nicht würdig. Dass das so ist liegt hauptsächlich am Bund, ein bisschen aber auch an den Ländern - bisher gelingt es nämlich nicht, Flüchtlingsunterkünfte in ausreichender Zahl zu schaffen, wenn die Hilfesuchenden von Bundesbetreuung in die Grundversorgung der Länder übergehen.

Immer wieder gibt es geeignete Objekte, die dem Land auch angeboten werden. Die scheitern häufig jedoch an bürokratischen Kleinigkeiten. Das soll nicht sein, das ist klar. Wenn wir nach Syrien schauen oder nach Eritrea, dann ist klar, dass sich Menschen dort in einer Ausnahmesituation befinden. Und wenn sie sich bis zu uns durchschlagen, dann sollen sie zumindest ein Dach über dem Kopf haben.

Wir haben uns deshalb dazu entschieden, die Tiroler Bauordnung zu novellieren um bürokratische Hürden für die Unterbringung von Flüchtlingen beiseite zu schieben. Der Kern der Novelle ist, dass Gemeinden und Landesverwaltungsgericht schneller entscheiden müssen als bisher. Hier findet sich der Begutachtungsentwurf und hier finden sich die erläuternden Bemerkungen dazu. Ich freue mich über Anmerkungen zum Gesetzentwurf, damit er für den Oktober-Landtag noch optimiert werden kann.

Montag, 29. Juni 2015

Tirol bietet Schutz vor Gewalt

Die Elysien, die Inseln der Seligen befinden sich im äußersten Westen der griechischen Mythologie, wo die Unsterblichen ein glückliches Leben führen. Als solches Elysium muss Europa Menschen vorkommen, die auf der Flucht sind. Auf der Flucht vor Fassbomben, Tretminen und vor den Henkern, Plünderern und Vergewaltigern des IS. Auf der Flucht aus Gegenden wo es Gewalt und Krieg gibt und keine ruhige Nacht. Oder aus Gegenden, wo es nichts mehr zu Essen gibt, nichts mehr das man aussäen könnte. Oder von dort, wo Andersdenkende und Anderslebende gehängt werden, geköpft oder von hohen Gebäuden gestoßen.

Wir sind in Tirol eine Insel der Seligen wenn wir vergleichen, wie es uns hier geht. Das soll nicht über all die Schwierigkeiten hinwegtäuschen vor denen Menschen auch hierzulande stehen. Aber doch das Bild ein bisschen zurecht rücken.

Tirol zeigt mit dem Beschluss der im Juli-Landtag in dieser Woche fallen wird ein Herz für Menschen, die aus der Hölle auf dieser Welt auf die Insel der Seligen kommen. Wir werden im Grundversorgungsgesetz verankern, dass es ein Recht auf psychologische Betreuung für Flüchtlinge gibt, die von Gewalt oder Menschenhandel betroffen sind, ebenso wie für traumatisierte Jugendliche auf der Flucht. Damit setzen wir eine EU-Richtlinie um, im Gegensatz zu anderen österreichischen Bundesländern die den Flüchtlingen diesen Schutz nicht gewähren wollen und die Richtlinie einfach ignorieren. Im Konkreten kann das etwa bedeuten, dass es dolmetschgestützte Psychotherapie gibt, wenn das jemand benötigt um die Gewalterfahrungen zu verarbeiten. Das ist um ganz ehrlich zu sein auch Präventionsarbeit, die anschließend die Integration in die Gesellschaft in Tirol erleichtern soll.

Außerdem werden wir verankern dass Menschen in Flüchtlingsheimen das Recht auf Besuch durch ihren Anwalt, durch NGOs oder das UNHCR haben. Selbstverständlichkeiten würde man meinen, doch die Flüchtlingsrealität in Österreich zeigt, dass nicht einmal mehr solche Selbstverständlichkeiten gelten.

Die Botschaft die wir aussenden wollen ist jedenfalls klar: Wir akzeptieren keine Gewalt - gegen niemanden. Egal ob hier geboren oder auf der Flucht: Wer von Gewalt betroffen ist verdient besonderen Schutz. Als Insel der Seligen in stürmischen Gezeiten umso mehr.

Und falls sich noch jemand an die Kampagne erinnert: Da bin ich #stolzdrauf.

Dienstag, 5. Mai 2015

6 Millionen

Ich freue mich sehr über die Geburt von Prinzessin Charlotte, Prinzessin von Cambridge. So wie ihre Eltern. So wie viele Menschen in Großbritannien und viele Menschen in ganz Europa.

Ich freue mich aber nicht nur über die Geburt von Prinzessin Charlotte. 6 Millionen Babies kommen in Europa jährlich auf die Welt. Für jedes einzelne freue ich mich, so wie hoffentlich auch die jeweiligen Eltern.

6 Millionen kleine Menschen in Europa jedes Jahr, die die Sprache ihres Landes nicht sprechen. Sie können nicht Lesen, sie können nicht Schreiben. Jahrelang brauchen sie Unterstützung. Beim Essen. Beim Klogehen. Bei den Hausaufgaben. Sie brauchen zuerst Windeln, dann Kleidung, später ein Fahrrad. Sie sind teuer und sie kosten Nerven. Und wir freuen uns riesig über sie. 6 Millionen in Europa, jedes Jahr.

Für Kinder müssen wir Kindergärten bauen und Schulen, Jugendzentren, Jugendhilfeeinrichtungen, Wohnungen, Freizeiteinrichtungen, Krankenhäuser - kurzum: Infrastruktur jeder Art. Kinder sind eine riesige Herausforderung, die wir gerne annehmen.

Flüchtlinge können die Sprache ihres Ziellandes nicht. Meistens können sie Lesen und sie können Schreiben. Sie wollen keine dauerhafte Unterstützung. Sie können Essen und zur Toilette gehen. Sie brauchen vielleicht Hilfe bei Hausaufgaben, aber sie wollen selbst für ihr Leben sorgen. Sie wollen weder dauerhaft teuer sein noch Menschen auf die Nerven gehen. Sie wollen in Sicherheit leben und sich eine Existenz aufbauen, mit ihren eigenen Händen. Freuen wir uns über Flüchtlinge in Europa? Wie viele dürfen es sein?

Dienstag, 21. April 2015

Die Toten an unserer Grenze

Eigentlich wollte ich nichts über die an der europäischen Außengrenze ermordeten Flüchtlinge schreiben. "Was kann ich hier beitragen?" habe ich mir gedacht. Ich habe keine Lösung. Jetzt schreibe ich aber doch etwas, und zwar weil ich empört bin. Nicht nur über die europäische Abschottungspolitik, auch über die mediale Berichterstattung. Hier finden sich zwei Beispiele von heute, die Zeitungen sind aber in Wahrheit beliebig austauschbar:


Ich habe einmal gelernt dass sich Neuigkeitswert in Medien dadurch definiert, dass ein Ereignis beispielsweise neu oder überraschend ist. Dass Menschen aus ihren beschissenen Situationen im Bürgerkrieg, im Terror oder in Armut und Hunger fliehen wollen ist eigentlich nicht neu. Neu ist, dass Tausende auf dieser Flucht vor den Stränden Europas krepieren.

Wie könnte eine sinnvolle Schlagzeile also aussehen? "Tausende Tote an Europas Stränden" - "Flüchtlinge krepieren im Meer" - "Flüchtlingsschiff gekentert - Tausende tot". Solche Schlagzeilen machen angesichts der aktuellen Ereignisse Sinn. Wer nun darüber schreibt, dass viele Menschen nach Europa wollen - ob eine halbe Million wie die Kronenzeitung oder eine Million wie die Tiroler Tageszeitung - der betreibt ein ganz anderes Spiel als Nachrichtenberichterstattung. Der Unterschied in den Zahlen der Schlagzeile zeigt schon, dass dahinter keine Fakten sondern Ängste stecken.

Fürchten sollten wir uns nicht davor, dass Menschen aus miesen Lebenssituationen flüchten wollen. Fürchten sollten wir uns davor wenn wir so verhärtet sind, dass wir regungslos zusehen, wie Menschen - Alte, Junge, Frauen, Männer - hilflos im Mittelmeer ersaufen.


Mittwoch, 17. Dezember 2014

Die Trendwende in der Tiroler Flüchtlingspolitik

Ich erinnere mich noch gut an die (gescheiterten) Koalitionsverhandlungen zwischen schwarz und grün in Tirol 2008. Die Schlussfrage dabei war: Sind die Tiroler Grünen bereit, sich zu schnelleren Abschiebungen von Flüchtlingen zu bekennen? Waren wir natürlich nicht, und auch aus der Koalition wurde nichts.

Nun sind einige Jahre ins Haus gegangen, die Koalitionsverhandlungen 2013 waren erfolgreich und inzwischen ist in Tirol nicht mehr von schnelleren Abschiebungen die Rede. Ja im Gegenteil. Tirol ist aus Quartierssuche. Nach anfänglichem Rumpeln in einigen Gemeinden sind nun Bezirke, Gemeinden, Kirche und Private aktiv geworden. Und auch das Land selbst ist nicht fad: In der gestrigen Regierungssitzung wurden zwei Beschlüsse dazu gefasst: 2,6 Millionen Euro werden für den Ausbau eines Gebäudes im Innsbrucker Saggen bereitgestellt. 131 Plätze für Schutzsuchende werden dort geschaffen, darüber hinaus die Option auf 50 weitere Plätze in den kommenden Jahren. Und 3,2 Millionen Euro werden zur Verfügung gestellt, um auf einem landeseigenen Grundstück ein Pilotprojekt für ein Gebäude in Holzbauweise zu errichten. In Zusammenarbeit mit Pro Holz und dem Holzbaulehrstuhl an der Universität Innsbruck kann hier ein Vorzeigeprojekt geschaffen werden, sowohl was Lebensqualität wie auch was Kosten angeht.

Für mich zeigen die gestrigen Beschlüsse deutlich wie wenige andere die Trendwende, die in der Tiroler Flüchtlingspolitik geschafft wurde. Wir sind bereit, Menschen in Not nach unseren Möglichkeiten zu helfen. Weil wir wissen, dass man niemandem zumuten kann sein/ihr Leben unter Bombenhagel und mit IS-Todesschwadronen in Syrien zu verbringen. #stolzdrauf? Ja, auf ein Tirol das Herz mit Menschen auf der Flucht zeigt.

Montag, 15. September 2014

Job: Die Betreuung von Flüchtlingen in Tirol koordinieren

Du suchst eine spannende Herausforderung? Die Tiroler Soziale Dienste GmbH, eine Tochter des Landes die für das Land Tirol die Flüchtlingsbetreuung übernehmen wird sucht einen Geschäftsführer / eine Geschäftsführerin. Zu den Aufgaben gehören die Schaffung von Infrastruktur für die Flüchtlingsunterbringung, die Koordination mit allen Akteuren im Flüchtlingsbereich, die Durchführung von Schul- und Sprachqualifikationen und selbstverständlich die wirtschaftliche Führung der GmbH.

Für Interessierte gibt es hier die Ausschreibung: Bewerberinnen und Bewerber willkommen!

Montag, 25. August 2014

Die Faszination des Bösen

Derzeit gehen Bilder durch die Medien, an denen ich immer wieder hängen bleibe. So geht es vielen Menschen. Auf den Bildern sind Grausamkeiten aller Art zu sehen. Enthauptungen. Kreuzigungen. Aufgespießte Köpfe. Und in den zugehörigen Texten ist die Rede von noch viel mehr: Frauen, die als Sexsklavinnen gehalten werden. Massenerschießungen. Vertreibungen, Selbstmordattentätern. Die Faszination des Bösen lässt mich an den Bildern und Texten hängen bleiben.

Wenn von der IS im Nordirak und in Syrien die Rede ist, dann haben wir es nicht mit einer Befreiungsbewegung zu tun, die für das Gute kämpft. Bei vielen Bewegungen kann man diskutieren, ob Gewalt angemessen ist um ein gutes Ziel zu erreichen. Hier aber ist das Ziel der Gewalt nicht das Gute. Hier kämpfen Menschen für die Gewalt, für die Unterdrückung. Hier kämpfen Menschen für das Böse, für den Exzess.

Hier geht es definitiv nicht um Religion, hier geht es nur um rohe Gewalt. Und diese Faszination des Bösen lässt uns nicht los.

Was macht diese Faszination aus? Die Allmacht, die diese Kämpfer vorgeben. Sie haben das Recht, über Leben und Tod zu entscheiden. Über Versklavung, Vergewaltigung oder Zugehörigkeit. Wir sehen übertriebene  Ausprägungen von Männlichkeiten, von sexualisierter Gewalt gegen Frauen, religiöse Gruppen, Abweichler, verbunden mit militärischen Erfolgen und einer Durchdringung menschlichen Lebens von gewalttätigem Denken und der Unterordnung des Individuums unter ein Kollektiv. Selbstmordattentäter werden als gezielte Waffen eingesetzt - Menschen werden freiwillig oder unfreiwillig in den Tod gejagt. Aus diesem Verhalten spricht die pure Menschenverachtung.

So muss sich die Entstehung des Faschismus in Europa für die Angehörigen des Faschismus angefühlt haben.

Wer vorher klein und unbedeutend war ist plötzlich ein großer Herrscher. Er (!) entscheidet über Leben und Tod. Er herrscht über fremde Körper, über fremde Gedanken und Gefühle. Die Welt ist ihm und seiner Mordlust untertan. Die Entfesselung des innersten Bösen, das in jedem Menschen auch innewohnt wird zum Programm. "Eine gewalttätige, herrische, unerschrockene, grausame Jugend will ich" formulierte Adolf Hitler einst. IS im Mittleren Osten ist nicht die Wiederkehr Adolf Hitlers. Aber es ist das gleiche Prinzip, das hier zum Vorschein tritt. Im Mittleren Osten findet nicht Auschwitz statt. Aber das Potential von Auschwitz entwickelt sich.

Diese Faszination des Bösen schwappt auch nach Österreich. Und hier tritt die Frage auf, wo unsere Verantwortung dabei liegt. Junge Menschen in Österreich fühlen sich von dieser Faszination des Bösen angezogen. Soweit wir es verstehen: junge Tschetschenen, die in Österreich um Asyl angesucht haben, machen sich auf, um den Weg der Verrohung zu gehen. Doch diese Verrohung hat schon früher angefangen. Im Krieg in Tschetschenien, in der Entführung und im Verlust ihrer Väter. In der Gewalt von Kindesbeinen an.

Und Österreich? "Den Asylstatus muss man ihnen aberkennen" ist die Reaktion. Ja, wahrscheinlich. Aber was ist damit gewonnen? Sollten wir uns nicht eher fragen, was wir dazu beigetragen haben, die Kriegstraumata zu überwinden und Perspektiven zu entwickeln? Wenn junge Asylwerber in Österreich der Faszination des Bösen erliegen und in ihr bessere Chancen sehen als in einem Leben in Österreich, dann ist das auch ein Armutszeugnis der besonderen Art.

In den vergangenen Tagen wurde häufig gefragt wo der Beitrag Österreichs liegen kann, um das Morden zu stoppen. Das kann ein Beitrag sein: Die Überwindung des Kriegs als Prinzip, die Eröffnung von Chancen und Perspektiven in einem friedlichen Miteinander, Toleranz und Respekt. Das ist auch Integration. Und jene Politiker, die sich der Integration widersetzt haben tragen eine Mitverantwortung dafür, wenn sich Menschen aufmachen, um sich am großen Schlachten zu beteiligen.

Sind wir bereit, Menschen aus ihrem Kriegstrauma in eine friedliche Zukunft zu verhelfen? Bei ihnen zu Hause und bei uns in Österreich?

Dienstag, 6. Mai 2014

Vielleicht denkt jemand einmal...

Manchmal kann man Sachverhalte sehr einfach auf den Punkt bringen. Zum Beispiel in diesem bewegenden LeserInnenbrief zur möglichen Unterbringung von Flüchtlingen in einem neuen Flüchtlingsheim in Gries am Brenner in der heutigen Tiroler Tageszeitung. Danke an die AutorInnen!


Dienstag, 18. Februar 2014

Ein kleines Stück mehr Menschlichkeit

Flüchtlinge, die zu uns kommen finden sich häufig nicht zurecht. Vor allem in rechtlichen Fragen. Das ist ja auch kein Wunder - wer aus Tirol würde sich umgekehrt im syrischen, malischen oder tschetschenischen Asylrecht auskennen? Es macht deshalb Sinn, Flüchtlinge rechtlich zu beraten, um ihnen Möglichkeiten und Unmöglichkeiten zu zeigen und ihnen klar zu machen dass es jemanden gibt, der ihnen zur Seite steht.

Ob Grün in der Regierung wirkt? Nun, die unabhängige Rechtsberatung für Flüchtlinge gibt es in Tirol seit einigen Jahren. Im Jahr 2010 gab es dafür von Seiten des Landes 10.000 Euro im Jahr. Heuer gibt es zum ersten Mal 30.000 Euro. Davon wird niemand reich, aber wir gehen mit Flüchtlingen in Tirol ein Stück weit menschlicher um. Und das ist gut so.

Montag, 10. Oktober 2011

Was wurde aus Lamin Jaiteh?

Einige Monate sind ins Land gezogen, seitdem Lamin Jaiteh im Mai trotz großer Proteste aus Tirol abgeschoben wurde. Mit abstrusen Begründungen wurden seine Anträge auf Bleiberecht abgelehnt. 2007 war er als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling nach Tirol gekommen, weil sein Vater in Gambia wegen eines angeblichen Putschversuchs gegen den Präsidenten gesucht wurde.

Ein Team der ORF-Orientierung hat ihn nun in Gambia besucht. Hier der berührende Bericht über sein neues Leben zum Anschauen.

Freitag, 27. Mai 2011

Lamin Jaiteh auf dem Weg zur Abschiebung

Lamin Jaiteh ist, nach der Festnahme durch die Polizei heute morgen, auf dem Weg zur Abschiebung über Wien, auf dem Weg in ein Land, wo er nicht sicher ist. Und das, obwohl humanitäres Bleiberecht in Österreich möglich gewesen wäre. Manchmal ist es einfach zum Schämen in Österreich. Wenn es aktuelle Infos gibt, poste ich sie. Inzwischen bleibt nur, bei der Innenministerin zu protestieren.

Dienstag, 24. Mai 2011

Polizei macht sich mit Anzeigen lächerlich

Die Polizei Hall macht sich mit Anzeigen gegen MenschenrechtsaktivistInnen lächerlich. Der Hintergrund: Am 9. Mai hatten etwa 200 AktivistInnen vor der Polizeiinspektion Hall friedlich gegen die Abschiebung von Lamin Jaiteh protestiert. Personalien wurden von der Polizei nicht aufgenommen, die Versammlung wurde nicht aufgelöst. Nun aber berichtet die Haller Polizei von 30 Anzeigen gegen TeilnehmerInnen, die man auf Videoaufzeichnungen identifizieren hätte können, die Tiroler Tageszeitung berichtet. Das ist natürlich lächerlich.

Eigentlich sollten nicht MenschenrechtsaktivistInnen angezeigt werden, sondern eine Polizei und Innenministerin, die Menschen abschieben, deren einziges Verbrechen ist, dass sie auf der Welt sind und auch leben wollen. Die jetzigen Anzeigen sind natürlich ein Versuch der Kriminalisierung, Dabei ist die Versammlungsfreiheit ein Grundrecht, die Pflicht zur 24 Stunden vorgelagerten Anmeldung nur eine Vorschrift zur Verwaltungsvereinfachung, aber die Versammlungsfreiheit ist jedenfalls stärker. Darüber hinaus müsste die Polizei nachweisen, wer die Versammlung anmelden hätte müssen. Auffällig ist jedenfalls auch, dass sich die Polizei nicht traut, mich auch anzuzeigen, obwohl ich dort war und auch mit dem Polizeikommandanten persönlich gesprochen hatte. Ob die Polizei weißt, dass sie mich mit derartigem Unsinn nicht einschüchtern könnte? Aber sie wird sich täuschen, auch die anderen BleiberechtsaktivistInnen lassen sich dadurch nicht vom Kampf für die Menschenrechte abhalten.