Sonntag, 4. Januar 2009

Arabische Brüder

Gestern konnte ich auf CNN Saeb Erekat bewundern, den Chefunterhändler der PLO. Er verlangte, Israel solle sofort seinen Beschuss des Gaza-Streifens einstellen, damit es zu einem "nationalen Dialog" unter den palästinensischen Fraktionen PLO und Hamas kommen könnte. Die CNN-Sprecherin fragt Erekat, warum dieser Dialog jetzt Fortschritte bringen sollte, wo doch seit dem Rückzug der Israelis aus dem Gaza-Streifen 2005 und in den vergangenen 6 Monaten des Waffenstillstands dieser Dialog nicht funktioniert habe und die Hamas beständig Südisrael mit Raketenangriffen in Angst und Schrecken versetzt habe. "My point is only that violence will not bring any solution" erklärte Erekat. Ja, schön und gut, aber non-violence seitens der Israelis gegenüber der Hamas hat irgendwie auch nicht die Lösung gebracht. Erekat gestand jedenfalls zu, dass Mahmoud Abbas keinerlei Einfluss auf die Hamas hat, bestand aber trotzdem auf dem "nationalen Dialog" unter einem "Egyptian Umbrella", also einem ägyptischen Regenschirm.

Wie dieser ägyptische Regenschirm aussieht, das wurde heute deutlich. Während die arabische Welt, Ägypten inklusive, Israel öffentlich für seine Militäraktion geiselt, hat Ägypten an der Grenze zum Gaza-Streifen 1000 zusätzliche Polizisten aufmarschieren lassen. 500 PalästinenserInnen seien nach Ägypten geflüchet, 125 aber von der Polizei aufgegriffen und wieder zurückgeschickt worden. Verhalten sich so arabische Brüder? Öffentlich klagen, Gaza sei ein Gefängnis, und dann den Grenzübergang in Rafah für Flüchtlinge geschlossen halten? Was kann das Argument sein? Will man den Hamas-Führern keine Fluchtmöglichkeit lassen? Das kann ja nicht wirklich das Argument sein. Wenn sich jemand aus dem Gaza-Streifen in Sicherheit gebracht hat, dann sind es wohl die Feiglinge der Hamas-Führung.

Die israelische Strategie ist für meine Begriffe aber derzeit noch etwas unklar. Man will sich vor Raketenangriffen in Südisrael schützen. Angesichts der Tatsache, dass bereits Beersheba getroffen wurde und Tel Aviv nicht viel weiter von Gaza entfernt ist als Beersheba nur zu verständlich. Aber was wird Israel tun, wenn der Gaza-Streifen erst wieder besetzt ist? Dazu wird es zweifelsohne kommen, mit Opfern auf beiden Seiten. Die Hamas erhält eine Gelegenheit, ZivilistInnen vor ihre militärischen Einrichtungen zu stellen und dann zu behaupten, Israel greife ZivilistInnen an. Das kennen wir schon. Israel kann es also darauf anlegen, die militärischen Arsenale der Hamas zu vernichten. Das Ziel ist unterstützenswert, aber kann so eine Aktion nachhaltig sein? Wird die Hamas sich nicht wieder bewaffnen?

Ich verstehe die israelische Position, ich kann die Vorgangsweise nachvollziehen, aber wie sieht die Lösung schlussendlich aus?

Spannend jedenfalls: Österreich hat seit einigen Tagen einen nichtständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat über. Hat jemand bereits eine öffentliche Diskussion darüber vernommen, wie sich Österreich dort verhalten soll? Ich würde einmal vorschlagen Österreich soll sich für eine Waffenruhe unter internationaler Beobachtung, nach dem Modell des Südlibanon einsetzen. Wie wäre das?

8 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Danke für den Kommentar. Sehr umsichtigt und gar nicht so emotionell aufgeladen, wie - leider - bei manchen anderen Grünen zu bemerken.
Was ist die österr. Position?
Faymann will einen Waffenstillstand und zwar sofort. Das ist bemüht, wird die Israelis aber auch nicht vom Hocker hauen. Zumindest, solange die USA im Sicherheitsrat alles blockieren.
Was wollen die Israelis? Ja, ich fürchte, die wissen es selber nicht. Gaza wollen sie eigentlich nicht (mehr) besetzen, wozu wären sie sonst 2005 dort ausgezogen. Die Hamas wollen sie in die Schranken weisen (unter mehr oder weniger lauter stillschweigender Duldung Ägyptens under anderer arabischer "Freunde" der Palästinenser). Klar ist, dass die Hamas dort auch nicht wohlgesonnen ist. Die Drecksarbeit dürfen die Israelis machen, auch wenn ihnen das in der arabischen Welt keine Sympathien einbringt.
Arik Brauer hat im Standard ja treffend angemerkt: schrecklich sei ja nicht die Hamas, sondern schrecklich sind die Menschen, die die Hamas gewählt haben (übrigens auch überwiegend junge, wenig bedildete Männer). Was hilt diese Erkenntnis? Derzeit wenig. Wichtig ist es, ein offenes Fenster zu nutzen, damit die Isrealis rechtzeitig aufhören können. Das hat jemand neulich so angemerkt (ich glaube, es war Amos Oz): er hoffte, die israelischen Führer/innen habe eine Exitstrategie und hören rechtzeitig auf. Es scheint aber so, dass der Militärschlag auch in Zusammenhang mit den kommenden Wahlen zu sehen ist. Jedenfalls hilft er derzeit dem Verteidigungsminster von der Arbeitspartei.
Wesentlich wird sein, was nach dem 20.1.09 passiert. Ich glaube aber nicht, dass die Operation so lange anhalten (kann und wird). Obama muss dazu ja eine Position entwickeltn. Er hat ja Gespräche mit dem Iran nicht ausgeschlossen und der Iran ist sicher eine Schlüsselfigur im Nahen Osten. Ohne ihn gibt's keinen Frieden, ob mit ihm, wird sich weisen.
wome

Anonym hat gesagt…

Die Israelis können ihren Frieden haben - dann, wenn sie historisches Unrecht gutmachen: alle Siedlungen außerhalb der Grenzen von 1967 müssen aufgeben werden und die Palästinenser müssen im Westjordanland und im Gaza einen vollständig souveränen Staat mit der Hauptstadt Ost-Jerusalem bekommen. Und die bereist 1948 vertriebenen Palästinenser müssen entschädigt werden.Das wird den Israelis zwar nicht schmecken, ist aber ihre einzige Chance ...

Gebi Mair hat gesagt…

@David: Mit der Fatah wäre eine Zwei-Staaten-Lösung machbar, aber das Problem Israels ist ja unter anderem, dass die Hamas keine Zwei Staaten-Lösung will, sondern auf der Auslöschung Israels besteht.

Gestern auf BBCWorld, Zipi Livni: "We want to cripple Hamas' ability to act militarily" - das klingt wirklich ein bisschen so, wie von wome vermutet, dass Israel selbst nicht ganz genau weiß, was das Ziel ist. Die Hamas militärisch zu schwächen, ob das schon das einzige Ziel sein kann? Dafür hätte es wohl keine Bodeneoffensive gebraucht, dafür hätte es auch gereicht, den Grenzstreifen zu Ägypten zu besetzen und das Tunnelsystem dort auszuheben.

Unknown hat gesagt…

Ich finde, das ich viel zu wenig thematisiert: Wo kommen diese ganzen Waffen immer her? Tunnelsystem schön und gut, aber warum schlägt dann nicht jemand/die EU vor, da die Grenzkontrolle zu übernehmen als Puffer. Mit massiver Bestechungskontrolle und so (können ja auch Dauermotz-Besserwisser übernehmen, davon hat die Welt genug). Solange bis der Waffenschmuggel zusammenbricht weil zu teuer (die arabischen Brüder haben bei 40 dollar öl eh kein geld mehr zum spenden für die hamas).

Das geschäft mit Waffen - generell viel zu wenig diskutiert und angekreidet, von allen und von grün. Wenn ich König der Welt wäre ... *grins*

Ansonsten: There's never anything false about hope, also bauen wir mal auf Obama/Clinton (wenn wir nicht an mögliche Veränderungen zum guten glauben, können es wir gleich lassen)

und gegen die "dicken eier" (a. Brauer) würden vielleicht Pornos helfen ;-)

Anonym hat gesagt…

@Paul: dieser Vorschlag (Kontrolle durch EU oder so) steht ja eh schon im Raum, nur würde ich mich als Israeli nicht darauf einlassen. Schau Dir einmal an, wer die größten Waffenhändler sind. Diese Staaten sollen dann die Grenze kontrollieren? Auch Österreich spielt hier ja eine unrühmliche Rolle und fällt somit als "Neutraler" aus (nicht nur aufgrund seiner Historie)
@David: das ist ist alles nicht neu und wurde/wird schon lange versucht. Nur, wie Gebi richtig schreibt, es gehören 2 dazu und wenn eine Partei nur eine Einstaatenlösung will, dann nützen alle Appelle nichts.
Momentan schaut es jedenfalls so aus, als ob die Militärstrategen die Oberhand hätten (Spaltung des Gaza in 2 Bereiche etc.)
Was mich aber ärgert, ist, dass die Hamas mit ihrer Propaganda durchzukommen scheitn. Überall auf Bildern von Protestmärschen sind Babypuppen zu sehen, die mit rotem Farbstoff (Blut) versehen wurden. Zugleich sprengt sich im Irak eine Selbstmordattentäterin in die Luft. 40 Menschen (darunter auch Kinder) sterben. Dagegen gibt es offenbar keine Proteste. Leider ist wieder einmal die Zeit des schwarz-weiß Malens angesagt (wie gestern auch im Mitterer-Tatort, aber das wäre ein eigenes Thema)

Unknown hat gesagt…

naja, EU, indien, USA und China. irgendwer wird diese grenze wohl dicht bekommen

@proteste: moslems dürfen sich massakrieren, siehe darfur, irak, algerien, usw. jede gewalt anderer ist eine kollektive beleidigung des propheten

(btw: niemand darf sich massakrieren, eh klar)

Anonym hat gesagt…

@wome, gebi: die Hamas ist natürlich ein Übel, das schon lange eine konstruktive lösung verhindert. Aber ein militärisches Vorgehen oder Druck werden die Hamas nicht beseitigen (außer der Gazastreifen wird vollständig besetzt und zur Hochsicherheitszone ...) sondern mE nach eher zu einem "Jetzt erst recht"-Effekt unter den Palästinensern führen ...

Anonym hat gesagt…

Was denkt ihr ueber Occupation 101 (koennt ihr auf youtube anschauen)?
"The greatest enemy of knowledge is not ignorance......it is the illusion of knowledge"