Mittwoch, 7. September 2011

Auf ein Tischtennisspiel bei Kim Jong-Il

Wir hatten zwei Minuten. Zwei Minuten Tischtennis, dann war wieder alles vorbei. Zwei Nordkoreaner hatten es gewagt, in ein Tischtennisspiel mit uns einzusteigen. Nach zwei Minuten aber brauchte es nur einen kurzen Blick, und sie legten die Schläger auf die Platte und gingen wortlos davon.

„Rätselhaft“, so wird die „Demokratische Volksrepublik Korea“ häufig beschrieben. Ich habe mir vorgenommen, dieses Adjektiv für das am meisten abgeschottete Land der Welt nicht zu verwenden. Aber ob es mir gelingt, da bin ich mir noch nicht sicher. Ich habe inzwischen so manches Land bereist, darunter auch politisch unfreundliche, Diktaturen verschiedener Art. Doch noch nie war ich in einem Land, in dem die Kategorien „wahr“ und „falsch“ so konsequent abgeschafft wurden.

Portraits von Kim Il-Sung und Kim Jong-Il im Großen Studienpalast des Volkes, Pjöngjang


Am Paektu San, dem höchsten Berg Koreas sei er geboren, der geliebte Führer Kim Jong-Il, erklärt man uns mehr als einmal. In einer kleinen Hütte im winterlichen Wald, Artilleriefeuer in Hörweite. Über der Hütte zeigte ein Stern die Geburt an. Krippenassoziationen tauchen auf, und sie werden noch dadurch verstärkt, dass die angebliche Geburtsstätte von Kim Jong-Il im ganzen Land in Modellform ausgestellt ist. Dass Kam Paektu San niemals gekämpft wurde und Kim tatsächlich in Russland geboren wurde, tut der Konsequenz der Geschichte keine Abbruch. Wahr und falsch sind keine Kategorien in diesem Land.

Kim Jong-Il ist gottgleich in Nordkorea. Und Gott äußert sich nicht öffentlich. So spricht auf Kim niemals, er lässt sprechen. Mit getragener Stimme wird berichtet, wie der General sein Volk beglückt. Überragt wird er nur von einem, seinem Vater Kim Il-Sung. Der ist nämlich auch 17 Jahre nach seinem Tod ewiger Präsident des Landes und verdient entsprechende Verehrung.

Kim Il-Sung ist der Gründer der demokratischen Volksrepublik Korea, er hob sie 1948 mit Unterstützung der Sowjetunion aus der Taufe. Der Erzählung nach war er Widerstandskämpfer gegen die japanische Besatzung. 40 Jahre lang hatten sich die Japaner in Korea aufgeführt wie die Berserker. Sie hatten versucht, die koreanische Sprache und Kultur auszurotten, und wenn es die Koreaner selbst dazu auch noch traf, dann hatten sie auch nichts dagegen. Es handelte sich um einen wahren Genozid, Geschichten von Menschen, die an Mühlsteine gebunden und zermalmt wurden, inklusive. Die Befreiung von der japanischen Besatzung am 15. August 1945 ist bis heute der Nationalfeiertag in beiden Koreas, und wir hatten das Glück, diesen Tag in Nordkorea zu erleben.

Wir, das ist eine Gruppe von PolitikwissenschaftlerInnen und HistorikerInnen der Universität Innsbruck. Ausgerechnet Nordkorea hatten wir uns als Exkursionsziel ausgesucht, nicht wissend was uns erwartete.

Kann sein. Kann aber auch nicht sein.

Kaum ein Land hat in mir jemals solche Zweifel gesät wie der Nordteil der koreanischen Halbinsel. „Alle Koreaner tragen dies freiwillig und gerne“ erklärt einer unserer drei Guides, angesprochen auf die Anstecker mit dem Bildnis Kim Il-Sungs, das ausnahmslos alle Erwachsenen stets am Revers tragen. Kann sein. Kann aber auch nicht sein.

Wie sollten wir es auch herausfinden? Koreaner begegnen westlichen TouristInnen mit ausgemachter Ignoranz. In der Hauptstadt Pjöngjang wird man als Tourist nicht gegrüßt, ja kaum angesehen. Angeblich wird erzählt, TouristInnen seien ansteckend wie ein Virus. Unser Guide hingegen erklärt uns, das sei ein Missverständnis. Die Menschen auf der Straße hielten uns für AmerikanerInnen und seien deshalb so ablehnend.

Der Kampf gegen die USA ist als zweite große Erzählung neben jener über den anti-japanischen Befreiungskrieg im gesamten Land ständig präsent. „Nach eineinhalb Stunden amerikanischer Attacken starteten wir unseren Gegenangriff und überschritten den 38. Breitengrad in Richtung Süden“ erklärt uns die lokale Führerin im „Museum der Geschichte des siegreichen vaterländischen Krieges.“ Kann sein, kann aber auch nicht sein. Bei uns wird die Geschichte andersherum erzählt: Nach einem sowjetisch unterstützten Angriff auf die Republik Korea im Süden kam es im Jahr 1950, in der Abwesenheit der UdSSR zu einem Beschluss des Sicherheitsrates der UNO über ein bewaffnetes Mandat zur Wiederherstellung der Grenze am 38. Breitengrad. Nach drei Jahren Krieg und dem Eingreifen von 27 Staaten auf der Südseite und Chinas und der Sowjetunion auf der Nordseite endete die Auseinandersetzung mit einem Waffenstillstand wieder ziemlich genau dort, wo sie begonnen hatte: rund um den 38. Breitengrad.

Der Krieg bestimmte das Schicksal der koreanischen Halbinsel für die kommenden Jahrzehnte. Im Norden kam es zu einem schnellen industriellen Aufstieg in den 1960er und 1970er Jahren, während der Süden lange unter einer schlechten Militärregierung litt. Spätestens mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion aber hatten sich die Vorzeichen geändert: Im Süden der Halbinsel entwickelte sich ein prosperierender kapitalistischer Staat, und im Norden geriet die Planwirtschaft in eine massive Krise.

Die demokratische Volksrepublik Korea im Norden versteht sich als sozialistischer Staat. Tatsächlich handelt es sich um eine Planwirtschaft, ansonsten wurden jedoch mehr Elemente aus dem Konfuzianismus übernommen als aus dem wissenschaftlichen Sozialismus. Dazu gehört etwa die Unfehlbarkeit der familiären Vaterfigut. In der „Juche“-Idee fasste der Staatsgründer Kim Il-Sung seine Ideologie zusammen. Es handelt sich um einen aggressiven kollektivistischen Nationalismus mit einem starken Mann an der Spitze der Kollektivs.

In den ersten Jahrzehnten konnte der Staat durchaus Erfolge verbuchen. Das Land wurde massiv industrialisiert, die Bevölkerung stieg von 12 auf 24 Millionen. Ein freies Bildungssystem wurde eingeführt, ebenso kostenlose Gesundheitsversorgung, stets begleitet von enormen Militärausgaben. Die Regierung des Landes erfolgte hauptsächlich über Vor-Ort-Anweisungen des Präsidenten, der gottgleich alles wusste. Er wusste, wie die Meeressperre bei Nampo im Westen des Landes zu bauen sei, wie Kraftwerke zu errichten, Denkmäler zu setzen, die Landwirtschaft zu vereinheitlichen oder Turnunterricht zu erteilen sei. Und schließlich wusste er irgendwann auch, wie der Reis zu pflanzen sei. Nämlich enger, und mit mehr Dünger. Und damit trug er zu einer Hungersnot bei, der in den 1990er Jahren an die 3 Millionen Menschen zum Opfer gefallen sein dürften.

„Ja wir hatten eine Hungersnot“, erklären unsere Guides. „Dafür gab es verschiedene Gründe: Die Topographie des Landes mit nur 18% landwirtschaftlicher Fläche ist einer, der Zusammenbruch der Sowjetunion war einer, die Sanktionen der USA ein anderer, und schließlich kam es zu massiven Überschwemmungen.“ Ja, kann sein. Kann aber auch nicht sein.

Auf unserer Exkursion wurde uns auch eine Landwirtschaft vorgeführt. „Eine der zehn Schönheiten der Songun-Politik“ lautete die Erklärung. „Songun“, das ist die neue Politik des Generals Kim Jong-Il nach dem Tod seines Vaters. Im Wesentlichen bedeutet sie, dass das Militär alle Aufgaben in der Gesellschaft übernehmen kann und das Militär zur ersten und wichtigsten Aufgabe des Staates erklärt wird. Mit zahlenmäßiger Überlegenheit sei die nordkoreanische Armee unbesiegbar, heißt es. Auch diese Landwirtschaft wird gemäß der Songun-Politik als militäreigener Betrieb organisiert. 1.800 Menschen bestellen dort 800 Hektar Land. Wo die Maschinen seien, wollen wir wissen. Und die logische Erklärung lautet: „Die Traktoren sind in der Garage.“ Ansehen können wir sie natürlich nicht.

Nordkorea ist als Planwirtschaft mit niedriger Effizienz und Vollbeschäftigung organisiert. Auch die Rolle des Militärs muss so verstanden werden. Vermutlich wird etwas an der Technologie für Atomraketen dran sein, die dort entwickelt wurden. Aber der Großteil des mehr als 1 Million starken Heeres ist mit anderen Aufgaben beschäftigt: Kraftwerke bauen, Straßen kehren, Gras schneiden, Gebäude bewachen, Museen instand halten und noch vieles mehr.

In den 1990er Jahren, während der Hungersnot, war das Militär die einzige gesellschaftliche Institution, die noch funktionsfähig war. So übernahmen Soldaten mehr und mehr gesellschaftliche Aufgaben. Der Rest des Landes hingegen befindet sich seit 15 Jahren in einem Deindustrialisierungsprozess, und das Land ist offensichtlich nicht in der Lage, diese Entwicklung zu stoppen. Versuche mit kapitalistischen Sonderwirtschaftszonen wurden wieder eingestellt. Inzwischen hält sich die Regierung mit Waffenschmuggel, Geldwäsche, Internetbetrug, Drogenhandel und dem Betrieb von Spielcasinos im Ausland über Wasser, ab und zu gefolgt von ausländischer Hilfe.

Man brauche ausländische Nahrungsmittelhilfe, heißt es aus nordkoreanischen diplomatischen Kreisen immer wieder. Der Westen zögert. Man wisse nicht, wie es um die Nahrungssituation tatsächlich bestellt sei, heißt es aus österreichischen Diplomatenkreisen. Man verdächtige die Regierung, im Jahr 2012 eine große Show abziehen zu wollen. Nächstes Jahr jährt sich nämlich die Geburt von Kim Il-Sung zum hundertsten Mal. Und nach seinem Geburtstag wurde sogar eine eigene Zeitrechnung eingeführt, die ebenfalls „Juche“ genannt wird. Auch ein russischer Mitarbeiter des World Food Programmes, den wir in Nordkorea treffen, kann es nicht genau sagen. Er sei seit einem halben Jahr im Land, aber er könne über die Nahrungssituation immer noch keine gesicherten Aussagen treffen, sagt er. Tatsächlich sehen wir einmal eine Gruppe völlig abgemagerter Soldaten, ansonsten sind zwar alle Menschen schlank, aber sie wirken nicht verhungert. Tatsache ist aber, dass wir nur Teile des Landes zu Gesicht bekamen. Wie es dort aussieht, wo wir nicht hin durften, das können wir nicht beurteilen. 700 Gramm Reis am Tag erhielten alle arbeitenden Menschen in Nordkorea erklären uns jedenfalls unsere Guides. Auf den Feldern gibt es jedenfalls Wachtürme, es muss also so etwas wie Lebensmitteldiebstahl geben, auch wenn unsere Guides betonen, dies sei, um Tiere abzuhalten.

Überhaupt sehen wir vieles im Land nicht. Für alles, was wir sehen, gibt es eine mehr oder weniger glaubwürdige Erklärung. Als wir mitten in Pjöngjang eine Gruppe Menschen sehen, die mit Kanistern offensichtlich um Trinkwasser anstehen, lautet die Erklärung unserer Guides, sie stünden dort, um ihr Wasser mit Kohlensäure versetzen zu lassen und daraus Mineralwasser machen zu lassen. Und als wir in Wonsan an der Ostküste des Landes in einem Jugendcamp bei einem anderen Ausgang aus einem Vortragssaal hinausgehen als geplant, kommen wir nicht nur an den gut gefüllten Bars des vorgesehenen Weges vorbei, sondern plötzlich auch an völlig leeren Einrichtungen. Kann also alles sein. Kann aber auch nicht sein.

Wie viel es in den Geschäften zu kaufen gibt, können wir ebenfalls nicht beurteilen. Wobei kaufen ein falscher Begriff ist. Mit Geld funktioniert offiziell wenig, es gibt Bezugsscheine für alles, sogar für den Besuch des Vergnügungsparks in Pjöngjang. Wie groß der Schwarzmarkt ist, lässt sich nicht seriös beurteilen. Auffallend ist, dass manche Menschen bunte Kleidung haben, die offenbar aus China stammt und nicht mehr den Einheitslook tragen, der mit der über die Firmen verteilte Kleidung einher kommt.

Als AusländerInnen können wir nur in den Ausländergeschäften mit Euro einkaufen. Dort gibt es wenig Interessantes. Alkohol, Zigaretten, Propagandaliteratur und Postkarten. Für alles andere braucht man Won, und die sind für Ausländer nicht erhältlich. Die Reise muss im Voraus in Euro bezahlt werden, auch „Entertainment“ wie ein Zirkusbesuch, ein Konzert, der Vergügungspark oder Besuch von Arirang, dem beeindruckend-schaurigen Massengymnastikfestival mit 100.000 TeilnehmerInnen, das jährlich im August stattfindet.

Die NordkoreanerInnen, die wir sehen, wirken jedenfalls den ganzen Tag irgendwie beschäftigt. Nur an den Feiertagen scheint es ein bissen unorganisierte Freizeit zu geben. Aber auch hier wirkt der Großteil organisiert. So treffen wir etwa beim Wandern im Kumgang-Gebirge auf organisierte Wandergruppen. Wer von den NordkoreanerInnen in diesen Genuss kommt und wer nicht, das finden wir leider nicht heraus. Offensichtlich ist, dass es privilegierte Gesellschaftsschichten gibt, und von der versprochenen Gleichheit nicht viel zu merken ist. Zu den Gebieten im Norden, wo die Menschen niedrigerer Gesellschaftsschichten wohnen und sich auch die Arbeitslager mit angeblich 200.000 Insassen befinden, erhalten wir keinen Zugang.

Vieles ist nicht möglich, was wir gerne in den zwei Wochen unternehmen würden. Nicht einmal, allein aus dem Hotel zu gehen. Anderes ist dafür möglich. Dutzende Denkmäler anzusehen etwa, auch das Mausoleum des verstorbenen Präsidenten, eine Art Heilserfahrung für die KoreanerInnen vor und hinter uns – im Mausoleum wird übrigens auch eine Medaille der Universität Innsbruck gezeigt, aber das nur nebenbei. Überhaupt ist das eines der Resümmées der Exkursion: Es handelt sich offensichtlich nicht nur um einen Staat, es handelt sich vielmehr um eine Religion, die sich zum Staat erhoben hat. Mit Logik ist ihr deshalb auch nicht beizukommen. Fragen wie jene, ob die wirklich erstaunliche Sauberkeit im ganzen Land und die gut erhaltene Infrastruktur mit Druck und Zwang oder aus freiwilliger Tätigkeit entstehen, lassen sich in einem geschlossenen religiösen System nicht sinnvoll stellen. Ob die gezeigten Aufführungen von kleinen Kindern, die wie dressierte Affen vorgeführt werden nur unter massivem strukturellem Gewalteinsatz zustande kommen oder aus Freude und Liebe können wir nicht sagen.

Die meisten unserer Fragen müssen deshalb unbeantwortet bleiben, weil sich die Logik des Systems unserem Denken verschließt. Wenn es weder wahr noch falsch gibt und auch Logik nicht weiterhilft, dann erübrigen sich Fragen wie jene, ob die Menschen dort auch gerne Telefone hätten, mit denen man aus Nordkorea hinaus telefonieren kann. Oder ob sie damit zufrieden sind, dass das Intranet keine Inhalte von außerhalb anzeigen kann. Und nicht einmal die Anzahl der angeblich 200.000 nordkoreanischen Flüchtlinge, die in China leben, hilft uns bei der Beantwortung dieser Fragen weiter. Wir wissen nicht, wie Menschen denken, die nur dieses System kennen. Würden sie eigentlich etwas anderes wollen? Oder wollen sie vielleicht sogar etwas anderes, und wir können es nur nicht richtig deuten? Oder sind sie gar mit dem Unterdrückungssystem zufrieden, das sie haben, weil sie es gar nicht so empfinden? Kann man jenen glauben, die geflüchtet sind?

Ein enormer Aufwand wird betrieben, damit die westlichen devisenbringenden TouristInnen nur sehen, was sie sehen sollen. Wie viel wir gesehen haben und wie viel wir nicht gesehen haben, wissen wir daher nicht. Beim Wandern im Myohang-Gebirge beginnen die ersten unserer ExkursionsteilnehmerInnen, gegen die Steine zu klopfen um herauszufinden, ob zumindest die echt sind, so weit erfasst uns die Paranoia bereits.

Ist das Land schrecklicher oder weniger schrecklich als ich es mir vorgestellt habe, frage ich mich von Zeit zu zeit. Es ist anders, jedenfalls. Und es hat eine bessere Legitimationsgeschichte den eigenen BürgerInnen gegenüber als ich vermutet hatte. Ich hatte die pure Repression im Kopf, die Exekutionen von kleinen Lebensmitteldieben, die Deportation Behinderter aus Pjöngjang, die Zwangsarbeit, die Arbeitslager, die Hungersnöte. Ich hatte nicht im Kopf, wie eine Ideologie nicht mehr bloße Ideologie ist, sondern ein gesamter Lebensinhalt. Verliert sie damit ihren ideologischen Gehalt? Ich kann es nicht beantworten, und diese Frage macht mich ganz wahnsinnig. Auch unsere Reisegruppe konnte die wesentlichen Fragen über dieses Land und seine BewohnerInnen nicht einheitlich beantworten, und wir zerstritten uns daran.

Als wir die beste Agrar-Universität des Landes besuchen, erregt jedenfalls eine Schrifttafel unsere Aufmerksamkeit. Während ansonsten im ganzen Land Kim Il-Sung und Kim Jong-Il auf Fotos und Schriftzügen präsent sind, gab es hier plötzlich eine dritte Tafel. Neben Kim Il-Sung und Kim Jong-Il prangt ein dritter Name, Kim Jong-Un. Der Sohn Kim Jong-Ils, stellvertretender Vorsitzender des nationalen Verteidigungsrates. Wir fragen nach, wie aus dem Zweigestirn plötzlich ein gleichberechtigtes Dreigestirn wurde. „Er ist wie sein Vater und sein Großvater. Und er empfängt bereits die Liebe des Volkes.“ Kann sein. Kann aber auch nicht sein.

Schriftzeichen von Kim Il-Sung, Kim Jong-Un und Kim Jong-Il an der Agraruniversität in Wonsan

26 Kommentare:

unwählbar hat gesagt…

so in etwa habe ich mir deinen bericht erwartet, oder auch nicht. ein netter urlaubsbericht, wie ihn vermutlich viele zweitklässer derzeit gerade in der volksschule schreiben.

ich finde in deinem bericht nichts, was ich nicht schon wusste, oder relativ einfach im internet herausfinden könnte. dadurch stellt sich mir die frage, warum man unbedingt nach nordkorea fliegen, damit steuergelder verpulvern (denn damit wird euer professor bezahlt), das regime unterstützen (was ihr mit euren euros getan habt) und die umwelt verschmutzen (denn zu fuss ist nordkorea sogar für dich etwas zu weit) muss.

diese erklärung hätte ich gerne von dir, denn ich finde leider einfach keinen sinn in dieser reise!

Gebi Mair hat gesagt…

Keine Sorge um die Steuergelder - der begleitende Professor erhält dafür natürlich keinen Euro bezahlt. Für den Flug selbst kamen die TeilnehmerInnen der Exkursion auf.

Ich wusste nicht alles, was ich hier geschrieben habe, und ich wusste auch vieles nicht, was ich hier nicht geschrieben habe, aber das muss jeder selbst beurteilen, ob sich eine Reise irgendwohin lohnt oder nicht.

unwählbar hat gesagt…

du behauptest also, dass eine studienreise der universität innsbruck die universität keinen cent kostet? den wenn schon, sind das steuergelder, die dafür aufgewendet wurden!

ausserdem steht es mir nicht zu, zu bewerten, ob sich die reise nicht lohnt, oder schon, nur den sinn davon wollte ich von dir wissen. was hast du nur dort vor ort sehen können?

Gebi Mair hat gesagt…

Ja diese Exkursion kostet die Uni keinen Cent, das war nämlich im Rahmen der kritischen Uni und beruhte auf Selbstausbeutung.

Man kann auch Tausend Bücher lesen, aber so manche Stimmungen und Details bekommt man nur mit, wenn man vor Ort sieht, und ich habe vieles gesehen, was sich auch nicht lohnt zu beschreiben, aber das doch zu einem Gesamtbild beiträgt, das ich sonst nicht hätte.

Anonym hat gesagt…

ja sag mal bitte, schreibst nun an einer dissertation, bist an der uni beschäftigt oder was bist? jetzt bist fast 30 und i les immer no fast nur über dö scheißuniversität.

zum nordkorea beitrag kunn i nix sagen, weil i ihn nit gelesen hab. der anfang war mir viel zu langatmig. i denk zwar schon, dass das stimmt was da schreibst - aber gangat das nit a viel kürzer - zb mit an quellverweis, wenn schon willst, dass manche alles lesen...

Gebi Mair hat gesagt…

Ich bin im Studienplan für einen PhD, und am Ende wird auch eine Dissertation stehen, das dauert aber noch ein bisschen.

widi hat gesagt…

Ich finde Gebi`s kurzer Reisebericht gibt die Eindrücke und die Stimmung unserer Nordkorea-Reise relativ präzise wieder.

Meine eigenen Erfahrung und Erlebnisse waren ebenso ambivalent und teilweise aufwühlend. Es bleiben im Nachhinein deutlich mehr Fragen als Antworten übrig.

Ein Land wie Nordkorea in kurzen Sätzen zu beschreiben ist schlicht und einfach nicht möglich. Die vielschichtigen Hintergründe, die Nordkorea zu dem machen was es ist, zu begreifen, fällt uns, die dort gewesen sind, extrem schwer und sind aus der Ferne mit Sicherheit nicht zu befreifen.

Dieses Land zu bereisen bedeutet nicht mit diesem Regime konform zu gehen, aber eine Fernreise, egal in welches Land erweitert den eigenen Horizont und trägt wesentlich zur Persönlichkeitsbildung bei, soweit meine Meinung!

unwählbar hat gesagt…

Dass die Reise die Uni gar keine Cent gekostet hat, glaube ich, oder auch nicht.

Dem widi kann ich sagen, dass er 100%ig recht hat, dass Fernreisen den eigenen Horizont erweitern, nur verstehe ich jedes Land als Reiseziel besser als Nordkorea. Dass man nicht immer mit einem Land konfirm geht, nur weil man es bereist, dass ist mir auch klar. unterstützen (wenns auch nur finanziell ist) tut man es aber trotzdem. und damit auch jede exekution in diesem land!

soweit meine Meinung!

Widi hat gesagt…

Das die Devisen, die wir ins Land gebracht haben wahrscheinlich ausschließlich dem Regime zu Gute kommen ist mir natürlich bewusst und ich verstehe auch den Einwand, aber unter diesem moralischen Gesichtspunkt müsste man ziemlich viele Länder dieser Welt, auch in Europa, von seiner Reiseliste streichen und man würde weiterhin in seinen bereits ausgetretenen Pfaden verharren.

Anonym hat gesagt…

offensichtlich ist es nicht leicht diese Impressionen in Worte zu fassen
was aber aus dem Beitrag hervorgeht ist die Ablehnung der stumpfsinnigen und undifferenzierte Verehrung von Personen

in diesem Sinne viel Erfolg gegen "Gott Hofer" ;)

unwählbar hat gesagt…

stellst du da nordkorea ernsthaft auf den gleichen level, wie irgendein europäisches land?

welche europäischen länder meinst du denn, wo es noch exekutionen gibt (meines wissens nach gibt es die nämlich nur mehr in weissrussland)? in welchem europäischen land wenden sie einwohner auch nur annähernd so in ihren grundrechten eingeschränkt, wie in nordkorea? Welches land der erde basiert auf einem solchen, sektenähnlichen, Personenkult wie Nordkorea?

Anonym hat gesagt…

netter Bericht...

und wegen Steuergelder:
Bist du nicht Landtagsabgeordneter und bekommst dafür Geld welches von unseren Steuern genommen wird?

Geld welches du fürs Stenkern und Nix-tun bekommst?

Widi hat gesagt…

Ich vergleiche Nordkorea nicht mit irgendeinem anderen Land auf dieser Erde, das wäre empirisch auch gar nicht möglich.

Die Menschen dort erhalten aber keinen Cent von unseren Devisen und die Menschen und ihr Leben dort standen für mich im Mittelpunkt unserer Reise. Jede Information, ob nun empirische Daten, oder persönliche Reiseeindrücke erhöhen die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit für dieses Land und tragen vielleicht dazu bei, dass sich die Verhältnisse dort in absehbarer Zukunft bessern.

Ich wäre an deiner Stelle mit Ferndiagnosen und Vergleichen, Nordkorea betreffend eher vorsichtig - nur als Ratschlag gemeint, am besten selbst hinfahren und sich ein Bild machen!

unwählbar hat gesagt…

die menschen dort bekamen keinen cent von euch, aber standen im mittelpunkt eurer reise...

"unter diesem moralischen Gesichtspunkt müsste man ziemlich viele Länder dieser Welt, auch in Europa, von seiner Reiseliste streichen" klingt für mich doch eher nach einem vergleich, oder?

und meine ferndiagnosen beziehen sich auf berichte von organisationen wie z.b. amnesty international und dass es ein sektenähnliches, militärisch-diktatorisches regime ist, schreibt der gebi selbst in diesem artikel.

Anonym hat gesagt…

ich finde die faszination, die die kommunistische regimes der welt auf viele mitglieder der grünen ausübt, ziemlich interresant. seid ihr euch sicher, dass ihr in der richtigen partei seid?

Anonym hat gesagt…

Gebi is wieder da? Und i hab scho gehofft der Depp kimmt nie wieder.

Anonym hat gesagt…

naja. doch, der macht den doc. deppert is der gebi sicher nit - höchstens a bissl unverschämt...
aber jeder würd haargenau gleich regieren, wenn er seine möglichkeiten hätt. davun bin i überzeugt.

Anonym hat gesagt…

ähhh jetzt lass i ihn schon regieren - sollt reagieren hoaßn...

Petra hat gesagt…

Um auf die statements von „unwählbar hat gesagt…“ einzugehen: unterstützt man exekutionen mehr durch desinteresse oder den zumindest vorhandenen willen uns fremde wirkungsmechanismen ansatzweise zu erfahren? Dein wertes desinteresse spricht schon daraus, ein quellverzeichnis zu fordern. Und das, für einen kurzen und durchaus knackigen essay. meine bescheidene meinung dazu: hier finde ich einen durchaus stilecht-lebendigen, anhand zahlreicher exemplifizierung vieles verdeutlichender essay vor. Dieser würde durch strukturierung eines quellenverzeichnis nur erschlagen werden, es gibt dinge, die man besser prosaisch im stil eines monologes erfassen kann. Es wäre mehr schlecht als recht diese selbst gemachten erlebnisse in eine schablonenhafte unterteilung zu quetschen (handbücher mit unterteilungen alla „politik, wirtschaft, kunst und kultur, religion…“ finden sich schließlich auch zu diesem thema schon mehr als genügend. Dabei vergisst man dann gerne das ineinandergreifen eben dieser parameter: im falle nordkoreas wäre das dann die mystifizierung der staatspoltik, die unglaubliche und mir vor der reise geradezu unvorstellbare größenordnungen annimmt: hier wird politik zur reinform des religiösen. mehrfach hatten wir diese diskussion auf reisen: die meisten von uns stimmen dem zu, dass die dort wirksamen diskurse mehr durch religiöse als durch politische begrifflichkeiten gekennzeichnet sind.
Zudem darf ich als exkursionsteilnehmerin behaupten, die stimmungsbeschreibung von gebi als sehr trefflich zu befinden. in vielem hätte ich treffendere worte kaum finden können. Außerdem muss man ein land weder vor (schon gar nicht vor!) noch nach der bereisung verstehen, manchmal drängen sich einem einfach neue und tiefere fragen auf, derer man zuvor nicht ansatzweise befähigt gewesen wäre.
Ich bitte im übrigen darum, einen einigermaßen umgänglichen ton zu finden (liebeR „unwählbar hat gesagt…“ und liebeR „anonym hat gesagt…“). Einige aussagen empfinde ich als ziemlich grauslig und die passen dann weniger zu den gebildeteren alla amnesty international und so.
Jedenfalls ist es mehr als anmaßend etwas, das man ganz offensichtlich gar nicht willens ist zu verstehen dafür dann aber umso kräftiger im beurteilen zu sein! Es muss immer einen – wenn man so will politischen – willen geben, andersartigem durch anteilnehmen näher zu kommen und nicht sich durch die moralische höherstellung der eigenen position davon zu entfernen.

Petra hat gesagt…

Meiner meinung nach greift die westliche mediale berichterstattung in einigem zum thema nordkorea (ganz sicher nicht in allem) zu kurz: es gibt ein landesinternes handynetz, es gibt strom in den haushalten, diesen jedoch kaum bis gar nicht als für uns übliche strassenbeleuchtung. Es gibt so etwas wie spürbare lebensfreude, die ich oft genug aus dem off der fenster an sich unbeobachtet fühlenden menschen gesehen habe. und nordkorea ist nicht nur ein land von im gleichschritt marschierenden menschen, auch wenn der anteil uniformierter staatsbürgerInnen erstaunlich wenn nicht erschreckend hoch ist.
Gebi schreibt: „In der Hauptstadt Pjöngjang wird man als Tourist nicht gegrüßt, ja kaum angesehen. Angeblich wird erzählt, TouristInnen seien ansteckend wie ein Virus.“ Das ist wohl der einizige punkt, in dem ich ihm widerspreche. Denn mein empfinden war vielmehr, dass die menschen sich dort nicht trauen offensichtlichen (sicht-)kontakt aufzunehmen. Gebi beschreibt die wunderbar-schreckliche szene am ping-pong-tisch, die ich wohl nicht glauben würde hätte ich sie denn nicht selber miterlebt. Solche beschreibungen stehen für vieles stellvertretend, das subversiv UNTER der normalen alltagswahrnehmung passiert. Diktaturen pflegen es kaum für außenstehende offensichtlich wirksam zu sein. Unserer reisegruppe gegenüber sind kaum direkte verbote ausgesprochen worden, alles wird schön in zugänglichen und zuvorkommenden worten ausgedrückt, immer auf das wohl von uns touristen hin formuliert (etwa: it´s because of your safty and we don´t want you to get lost. Oder: it would be very difficult to find you again, I beg you to join our group. One for all and all for one. Etc. etc.).
Jedenfalls sind mir sehr wohl verstohlene und interessierte blicke der pjöngjangerInnen aufgefallen. Sie wollen sich dabei unbeobachtet fühlen, sie haben offensichtliche angst davor ein zu hohes interesse an uns westlern kundzutun. Wenn sich blicke trafen, waren dies kaum feinselige (und wenn, dann von menschen die dem alter nach den koreakrieg noch erlebt haben müssen). Ich wurde wiederholt angelacht, wiederholt freundlich beobachtet, allerdings v.a. in situationen in denen sich das gegenüber „sicher“ fühlte. Im großen und ganzen habe ich das gefühl, wir waren dort erwünscht – auch für die normalbürgerInnen. Wir mögen nicht nur positive emotionen ausgelöst haben, das ist klar (man denke nur an emotionen die manch eineR gemeinhin auch in unseren landen gegenüber touristen so hat). Und die meisten davon waren – das traue ich mich zu behaupten mehr interessiert und wohlwollend. Als hätte es etwas beruhigendes für die nordkoreanerInnen, nicht völlig abgeschnitten vom rest der welt zu sein.

Petra hat gesagt…

aja genau: außerdem habe ich gelesen, den staatsbürgerInnen sei es dort zudem mit strafandrohung verboten kontakt mit ausländerInnen aufzubauen. wohl fällt alles über einem 20-80 sekündigem small-talk darunter. das ausmaß der strafandrohung konnte ich leider nicht ausfindig machen, es ist traurig genug dass es soetwas gibt.

Anonym hat gesagt…

Ab einem bestimmten Punkt braucht es keine Definition des Ausmaßes der Strafandrohung mehr, die Drohung reicht und die Angst wirkt als Eigendynamik im Volk. Mag man sich an den zweiten Weltkrieg und die herrschenden Methoden erinnern?

Anonym hat gesagt…

Gebi, vielen Dank für diesen sehr lesenswerten Reisebericht.

Ich finde es auch äußerst sympatisch, wenn ein österreichischer Politiker eine Diktatur besucht.
Das sollte eigentlich zur Standardausbildung eines jeden Politikers gehören.

Generell gehörst du zu den engagiertesten österreichischen Politikern/Menschen, die mir bekannt sind.

Danke dafür!

Ein Bürger.

Anonym hat gesagt…

good read, danke!

Anonym hat gesagt…

Ist es nicht der Kommunismus, dessen Prinzipien Gebi Mair als Linksextremer immer so verherrlicht, der in Nordkorea (und in ausnahmslos jedem anderen kommunistischen Land) zwangsläufig zu Entdemokratisierung, Verletzung von Menschenrechten, Gleichschaltung und schließlich Totalitarismus führt?

Mair scheint offenbar blind dafür zu sein, dass es stets der Sozialismus ist, der all diese Auswüchse hervorbringt.

BastianBBux hat gesagt…

@unwählbar: Ausgrenzung, 'Nicht-Hinschauen' sind als diplomatische Mittel völlig unwirksam. Als nächster logischer Schritt wäre dann 'die Fortführung der Politik mit anderen Mitteln' legitim, das kann und will ich nicht akzeptieren.

Reisen bildet, und wir reden hier nicht vom all-in-Türkei Cluburlaub.
Reisen bildet umso mehr, je unterschiedlicher die bereiste Kultur von der eigenen ist. Und dass DPRK diametral zu unserer Kultur und unserem Demokratieverhältnis steht ist wohl unzweifelhaft.