Bereits in Innsbruck gab es das erste interessante Treffen, als wir mit einer Gruppe NaturschützerInnen zum bedrohten Berg starteten. Ein 76jähriger Mann war aus Landeck eigens nach Innsbruck gefahren, um uns im Zug seine Sicht der Dinge erklären zu können. Dabei las er uns unter anderem aus dem Buch von Ischgls Altbürgermeister Erwin Aloys vor, wie dieser gegen die Agrargemeinschaft kämpfte, die den Grundbesitz im und rund ums Skigebiet verwaltet. Erfolglos, wie Aloys schreibt - denn die Gemeinde wurde ihres Eigentums beraubt und zukünftig hatten andere das Sagen.
Von Ischgl starteten wir mit einer feinen Gruppe von 15 AktivistInnen hinauf zum Fimbatal. An Hausbänken warteten die ersten IschglerInnen, um mehr über unsere Aktion zu erfahren. Und auch auf dem Weg kam es immer wieder zu Begegnungen: Ein Mann in hubertusgrüner Kleidung fotografierte erst die Wiesen, um dann sein Teleobjektiv auf uns zu richten. Wir würden nicht verstehen, was die Bevölkerung wolle. Man brauche nämlich keine Einmischung von Studenten und Professoren, sondern könne sehr gut selbst entscheiden. Gleich darauf stieg ein Mann von seinem Mountainbike und forderte uns zu einer Diskussion in Ischgl auf. Ein SUV blieb stehen, und zwei Jäger bedeuteten uns aus der Kabine, dass wir nicht willkommen seien - kurzum: Unser Aufstieg dauerte länger, als wir gedacht hatten.
Wir kamen vorbei an den Baustellen der Silvretta Seilbahn, an den Beschneiungsanlagen vorbei, über Pisten, die die Landschaft geschunden haben. Und dann: Ein Hochmoor, daneben schon Markierungsstangen für die zukünftige Talstation der Vesilbahn. Von hier soll es also hinaufgehen auf den Piz Val Gronda. Der zukünftigen Piste entlang, über zwei kleine Blockgletscher hinweg steigen wir hinauf. Manches liegt unter Schnee verborgen, und dennoch kann man erahnen, welche Landschaft sich darunter verbirgt. Wir blicken hinüber auf den Palinkopf, der früher als einer der botanisch interessantesten Berge Tirols galt. Seit er mit Seilbahnen, Wegen und Pisten erschlossen wurde, hat die Erosion den Gipfelbereich zerfressen. Dort wächst nicht mehr viel, und übrig bleibt eine Landschaft, die schneefrei aussieht wie ein Kriegsgebiet. In gewissem Sinne ist es ja auch eine Kampfzone des Menschen gegen die Natur.
Dann, am Piz Val Gronda-Joch zeigt sich die alpine Polsterflora, doch es ist schon dunkle Nacht, als wir ankommen. Am Gipfel schlagen wir unser Biwak auf, hart am Wind. Wir kochen, blicken in den faszinierenden Sternenhimmel, nutzen die Sternschnuppen für gute Wünsche und legen uns in unsere Schlafsäcke. Mit der ersten Helligkeit hält es jedoch kaum mehr jemanden im Zelt.
Erst wird es langsam heller, dann sind die ersten Sonnenstrahlen auf dem Fluchthorn zu sehen. Bald bedeckt die goldene Sonne die Spitzen und Gipfel mit ihrer Pracht, und es wird deutlich, was die Seilbahner hier wollen: Sanfte Skihänge, ideal geneigt. Wer hier oben steht, der weiß: Am Piz Val Gronda ist nicht Schluss. Wenn der Lift bis hier herauf geht, dann werden neue Begehrlichkeiten entstehen. Neue Hänge kommen in den Blick, und in einigen Jahren wird der Druck auch darauf größer werden.
Wir kochen uns heißen Tee und wärmen uns, während wir unser Wissen über die einzigartige Fauna des Gipfels und Nordrückens des Piz Val Gronda erweitern. Pflanzen, die für Österreich als ausgestorben galten kommen hier ebenso vor wie Pflanzen, an deren Vorkommen man in Tirol nicht mehr geglaubt hatte. Dazu kommt eine besondere Geologie - die Gipstrichter können wir auch zu dieser fortgeschrittenen Jahreszeit noch sehen. Steinhuhn haben wir keins gesehen - für alle, die sich diese Frage gestellt haben - aber dafür andere Tiere in der Luft und am Boden, obwohl der Kalender bereits Ende Oktober anzeigt.
Für uns wird immer klarer: Hände weg zum Piz Val Gronda! Das ist ein Sündenfall, der weitere nach sich ziehen wird. Über den Nordrücken steigen wir langsam hinab, und wir schauen uns links und rechts um. Wir teilen uns auf, um Vesil- und Fimbatal genau besehen zu können, einige steigen auf die Vesilspitze auf, um den Blick von oben zu haben. Wir dokumentieren, wie die Gegend derzeit aussieht. Skihänge links und rechts - das Fimbatal in akuter Gefahr, wenn diese Seilbahn kommt: sanft kupiertes Gelände führt hinunter.
Und schließlich ist der Heimweg weit. Beladen sind wir nicht nur mit unserer Ausrüstung. Beladen sind wir auch mit schweren Gedanken. Sollte es wirklich keine Chance mehr geben, dieses Projekt zu stoppen? Sollte es keine Chance mehr geben, zur Vernunft zu kommen?
Auch am Weg hinab immer wieder Einheimische, die uns stoppen. Nun, die Station sei in dieser Größe vielleicht nicht notwendig, wird eingeräumt. Aber zu den 1,3 Kilometern Piste stehen die meisten. Wohl auch jene Besucher, die uns mit Hund und Fernglas am Sonntagfrüh am Piz Val Gronda besuchten und wortlos blieben. Beim Abstieg sehen wir noch die Spuren ihres Autos am Boden, so weit man eben mit dem Auto hinaufkommt.
Müde und voller Eindrücke sitzen wir im Bus nach Landeck und lassen die Eindrücke Revue passieren. Gerne hätten wir in Ischgl noch etwas konsumiert, aber außerhalb der Saison dürfte das ein schwieriges Unterfangen sein. Mit unseren Eindrücken fahren wir wieder nach Hause und wir wissen: Es lohnt sich, für unsere Umwelt zu kämpfen!
Mehr Fotos und Videos vom Piz Val Gronda gibt es hier.
2 Kommentare:
Die Erschliessung des PVG ist eine eine gute Nachricht für die Menschen im Paznauntal und in Tirol. Das stinkt den Zukunfts-Verweigerern natürlich
Hallo, vielen Dank für die Fülle von Informationen nützlich! Und doch BRAVO zu Ihnen.
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