Dienstag, 26. Oktober 2010

Morituri te salutant

Ich bin wieder zurück von einer Reise in ein faszinierendes und gleichzeitig obskures Land. Zwei Wochen war ich mit FreundInnen auf einer politikwissenschaftlichen Exkursion in Burma/Myanmar. Das Land steht unter der Kuratel einer Militärdiktatur, den Generalen der Tatmadaw unter dem derzeitigen Senior General Than Shwe. Eine der strengsten Pressezensuren der Welt, Internetzensur und ein ausgedehnter Geheimdienst; Zwangsumsiedlungen, Arbeitslager, politische Haft, Folter sowie die darauf folgenden internationalen Sanktionen haben zu einer Atmosphäre der Angst geführt, in der es nur schwer möglich ist, im Land selbst an gesicherte Informationen zu kommen.

Ein Erlebnis hat mich besonders beeindruckt. Am Zusammenfluss der Quellflüsse des Ayerawaddy wird derzeit von chinesischen Ingenieuren und Bauarbeitern das Mytsone Hydropower Project gebaut. Ein Flussstaudamm, dessen Energie ausschließlich in die chinesische Provinz Yunnan fließen soll. Die Umweltzerstörungen sind enorm, Umsiedlungen an der Tagesordnung. Von der lokalen Bevölkerung gibt es deshalb sogar Bombenanschläge gegen das Wasserkraftprojekt, aber es wird weiter gebaut. Die Regierung arbeitet derzeit auch an einer panzertauglichen Straße zum Bauplatz, mit der offensichtlich nicht nur LKWs die Baustelle leichter erreichen sollen, sondern auch die bisherigen aufständischen Waffenstillstandsgruppen nach der anstehenden Pseudo-Wahl in Burma am 7. November effizient bekämpft werden können sollen.

Weil die Gegend demnächst von Wasser überflutet sein wird, hat die burmesische Regierung das Gebiet zum Goldschürfen an Private freigegeben. Und so ein Goldwäschergebiet konnten wir besichtigen. "Morituri te salutant", die Todgeweihten grüßen dich, war meine Reaktion darauf. "Das ist wie Workingman's Death", flüsterte eine Mitreisende. So sieht die Gegend aus:





Wir konnten mit einer Pächterin von Schürfrechten sprechen. Sie erzählte, dass die Pacht eines Loches 1.000 Dollar kostet. Sie selbst beschäftigt in ihrem Loch 10 Arbeiter. Seit 6 Wochen läuft bei ihr die Goldwäsche. 4 der Arbeiter sind bereits an Malaria erkrankt und können nicht mehr arbeiten. Die verbleibenden 6 Arbeiter waschen weiter Gold im schwermetallhaltigen Wasser, jeden Tag vom Sonnenaufgang bis zum Sonnenuntergang. Gehalt bekommen sie derzeit keines; das gibt es nämlich erst, wenn Gold gefunden wird. Derzeit erhalten die Arbeiter 3.000 Kyat alle zehn Tage, das sind etwa 3 Euro.

"Von denen überlebt kein einziger auch nur das nächste Jahr", war meine Assoziation, als wir die Szenerie beobachteten. Das Knattern der Pumpen, ihre Abgase. Das Wasser. Keine Schuhe. Tropenkrankheiten und keine medizinische Versorgung. Diese Bilder werden mir noch lange im Kopf bleiben.

Jetzt bin ich jedenfalls wieder zurück und werde in den nächsten Tagen noch die eine oder andere Geschichte aus Burma erzählen, während ich mich wieder auf den aktuellen Stand bringe, was in Tirol passiert ist.

12 Kommentare:

simon hat gesagt…

coole sache,

fragte mich schon lange wie es da so aussieht. ziemlich mutig von dir da ins hinteland zu reisen, hut ab.

wome hat gesagt…

Lieber Gebi!
Schön, dass du wieder und gesund retour bis. Ich frag mich halt, ob es Sinn macht, in solche Länder zu reisen. Was kann man da schon erfahren, was man nicht eh schon wüßte. Wie kann man dort mit Menschen in Kontakt kommen. Kant kam ja auch nie über Königsberg hinaus, hat aber trotzdem eine immer noch lesenwerte Anthropologie der Menschheit verfasst.
Liebe Grüße

WoMe
PS: Tirol holt Dich rascher wieder ein, als Dir vielleicht lieb ist. Ev. schon am Feitag im Sonderlandtag.

manfred hat gesagt…

Wolfgang,

Tirol und Innsbruck hat ihn ja nie richtig losgelassen, egal wie weit weg er war. Um seine Baustellen kümmert er sich schon, keine Angst.

Und da ist die UMIT sicherlich nicht eine seiner größten.

manfred

Anonym hat gesagt…

na und, er war weg - gings a bissl realer zu.
wölla mut dazu gehört, sich mit a paar weiber und mander die zeit totzuschlagen, weiß i nit - aber
den wirds schon geben.
bei den fröschen ist ja bald wer mutig. lol

Anonym hat gesagt…

... aber der bericht ist fürn gebi erstaunlich zutreffend ausgefallen - a schöne bilder.

Gebi Mair hat gesagt…

Hallo WoMe,

das ist durchaus eine ernstzunehmende Frage, und es ist gar nicht ganz einfach, nur Hotels zu finden, an denen die Regierung nicht beteiligt ist. Und schlussendlich haben die Generale doch den einen oder anderen Dollar an uns verdient.

Mich hat vor allem interessiert, wie es Menschen schaffen, unter den Bedingungen einer Diktatur zu überleben; und dazu habe ich durchaus einige neue Erkenntnisse gewonnen. Wie zum Beispiel? Indem man in ein Kaufhaus in Mandalay geht, dort bei einer Art Songcontest zuschaut und dann von einem jungen Burmesen angesprochen wird, der Englisch üben will. Beim Kaffee dann Gespräche mit ihm und seiner Freundin über burmesisches Fernsehen, dann eine Einladung ins Haus seiner Eltern, wo diese als Fotografen arbeiten, Essen dort etc. In vielen kleinen Dosen bekommt man einen Eindruck, was die Menschen bewegt und was sie sich wünschen, wie sie mit dem irren Druck umgehen, der dort herrscht.

Klar, viele Termine die eigentlich vereinbart waren, haben unmittelbar vor den Wahlen nicht funktioniert. Aber es gab doch Kontakte, die auch funktioniert haben. Und das ist dann einfach viel mehr wert, als über eine Situation nur Bücher zu lesen. Ich habe mir nach der Reise auch erst neue Literatur über Burma gekauft, und ohne die Reise selbst hielte sich mein Verständnis für vieles dort in Grenzen. So auch, aber halt nicht mehr so eng.

Die Realität hat mich selbstverständlich schon wieder eingeholt, und was man über die UMIT alles Neues erfährt ist so unglaublich, dass ich vieles nicht für vorstellbar gehalten habe. Mal schauen, wie viel davon morgen vielleicht spannend aufgehen kann.

Wenn du Zeit hast, meld dich doch mal wieder auf einen Kaffee.

Liebe Grüße
Gebi

Anonym hat gesagt…

Interesaant!
Gebi Mair war in Burma und hat nichts aus dieser Reise gelernt.
Er kommt hasserfüllt zurück um weiter Hass zu predigen.
Er hat mit der Bevölkerung dort gesprochen, aber in welccher Sprache. Vielleiccht auf Burmesisch? Meine Frau ist Asiatin und kommt aus einem politisch ähnlich gelagerten Land wie Burma.
Meine Frau ist geschockt über die Sprache von Gebi Mair.
Ich kann vonr mit nicht behaupten Burma sehr gut zu kennen, und bin mir absolut nicht sicher, ob ich auch mit der Geheimpolizei gesprochen habe, nur um mich auszuhorchen.
Aber Gebi Mair weiß nazürlich alles besser.
Er kann ja nach Burma gehen und die Militärjunta stürzen.
Bin schon sehr neugierig, was Gebi Mair noch zu berichten hat.

Anonym hat gesagt…

Interesaant!
Gebi Mair war in Burma und hat nichts aus dieser Reise gelernt.
Er kommt hasserfüllt zurück um weiter Hass zu predigen.
Er hat mit der Bevölkerung dort gesprochen, aber in welccher Sprache. Vielleiccht auf Burmesisch? Meine Frau ist Asiatin und kommt aus einem politisch ähnlich gelagerten Land wie Burma.
Meine Frau ist geschockt über die Sprache von Gebi Mair.
Ich kann vonr mit nicht behaupten Burma sehr gut zu kennen, und bin mir absolut nicht sicher, ob ich auch mit der Geheimpolizei gesprochen habe, nur um mich auszuhorchen.
Aber Gebi Mair weiß nazürlich alles besser.
Er kann ja nach Burma gehen und die Militärjunta stürzen.
Bin schon sehr neugierig, was Gebi Mair noch zu berichten hat.

Anonym hat gesagt…

Einfach zum nachdenken!


Armut als Pauschal-Angebot.

Entwicklungshilfetourismus wird nicht nur von Experten und Beratern praktiziert, sondern auch von all den anderen wohlhabenden, gesunden, gut ausgebildeten und einflussreichen Leuten, die sich ihr Geld damit verdienen, das Leben derer darzustellen und darüber zu schreiben, die kein Geld haben, die kein Zuhause haben, krank sind, Analphabeten und politisch machtlos. Beamte von Hilfsorganisationen in Washington, New York, Paris, Genf, Wien oder Rom, und eine gewisse Sorte von Akademikern, Forschern, Journalisten, Rundfunkleuten und Popstars sind unter denen, die für das Elend gerade zu dankbar sind, die ihr Geld verdienen oder sich einen Ruf damit machen, dass es diese armen, völlig besitzlosen Menschen gibt. Zusammen mit den Experten und Beratern in diesem Bereich, sind es Außenseiter wie diese, die die Art und Weise prägen, in welcher die Armen gesehen werden, wie man ihre Probleme definiert, wie man die Maßnahmen formuliert und Projekte inszeniert, deren Absicht es sein soll, deren Armut zu lindern. Behörden vor Ort, also aus den Entwicklungsländern selbst, wird auch erlaubt, eine Rolle zu spielen – aber diese Leute sind paradoxerweise ebenso Fremdlinge in der Welt, die von den Armen bewohnt wird, wie es die Besucher von weit weg sind.
Die dahingehende Tendenz, dass diejenigen, die nicht arm sind, zu bloßen Zusehern „Sightseers“ in der Welt der Armen werden, ist ein zentrales Problem der internationalen Entwicklung. Am meisten sichtbar wird das während Hunger- und anderen Katastrophen, wenn die Unterscheidung zwischen denen, die etwas haben und die nichts haben, relativ wird und eine Frage von Leben und Tod. Ob wir Arbeiter von Hilfsorganisationen sind, Journalisten oder Missionare, die Tatsache, dass wir Reisen in solche Gegenden machen, die Verhungernden und Sterbenden sehen, riechen, berühren, sie interviewen und vielleicht noch füttern, und dann in unsere bequemen Wohnungen und Hotels zurückkehren, gehört zu den bizarrsten Paradoxien der modernen Zeit.
Am Höhepunkt der Hungerkatastrophe, die mehr als eine Million Äthiopiern zwischen 1984 und 1985 das Leben kostete, war es perfekt möglich im Laufe eines Vormittags mit dem Flugzeug vom Hilton Hotel in Addis Abeba in den geradezu unwirklichen Horror des Hilfscamps in Korem zu fliegen, wo Zehntausende ausgezehrte und zerlumpte Leute herumlagen wie die Opfer einer mittelalterlichen Schlacht. Man konnte dann Fotos nehmen, sich Notizen machen, oder die Situation einschätzen und bewerten, und dann nach Addis Abeba zurückfliegen, um sich in der Sonne zu baden in einem der exklusivsten Swimming-Pools der Welt.
Ich war in Äthiopien als Journalist, aber Journalisten waren nicht die einzigen Fremden, die Schlange standen, um ein Bild von der Apokalypse zu gewinnen. Obwohl das Land knapp an Nahrungsmitteln war, gab es Leute von allen möglichen Hilfsorganisationen: jede nur denkbare Hilfsorganisation hatte Leute geschickt, um zu sehen, wie sie Projekte durchführen könnten; FAO, UNICEF und WFP waren überall. ICRC hatte mehrere aschfahle Vertreter vor Ort, die sich selbstlos und voller Hingabe an ihre Pflicht zu helfen gaben; sogar der Generalsekretär der Vereinten Nationen tauchte auf, um für sich selbst herauszufinden, wie hungernde Kinder aussehen – und photographiert zu werden, wie er dies tat. Um 8 Uhr morgens jeden Tag warteten die Bürokraten in der Lobby vom Hilton in Safari-Anzügen auf den kleinen Bus, der sie zum Flughafen brachte, um den Flug in die Hölle zu erwischen. Einige nahmen sogar noch, ein wenig befangen, ein Lunch-Paket vom Hotel mit.
In der Zwischenzeit waren auch Berühmtheiten und Dutzende VIPs erschienen. Charlton Heston, Senator Edward Kennedy, Bob Geldof und Kardinal Basil Hume waren nur ein paar der Persönlichkeiten, die kamen, sahen und kommentierten. Es gab auch viele wenige wichtige Besucher, makabre Urlauber, für die die üblichen ostafrikanischen Attraktionen wie Safaris, Sonne, Sand, Meer und Sex offenbar nicht mehr genug waren.

Anonym hat gesagt…

Ich war tief beeindruckt von dem, was ich in Nord-Äthiopien gesehen hatte, aber ich kann nicht sagen, dass ich viel dort gelernt hatte. Noch taten dies die Entwicklungshilfearbeiter, die mit mir dort waren. Sie kamen gleich wie ich leicht sentimental zurück und gleich wie ich nicht mehr in Berührung mit der Armut. Alles was wir erlebten, war ein kurzer, intensiver Besuch, eine Art ‚Sightseeing-Tour’ und nichts anders als das.
Exkursionen wie diese finden jederzeit statt und nicht nur während akuter Krisen. Größere Entwicklungshilfeprojekte, die enorme Geldsummen verschlingen (Geld von Steuerzahlern in Industriestaaten) und das Leben von Milliarden Menschen in der 3. Welt beeinflussen, sind routinemäßig geplant und werden ausgeführt auf der Basis von Besuchern, die ähnlich kurz, schnell und oberflächlich sind. Robert Chambers vom Institut für Entwicklungshilfe an der Universität Sussex schätzt, dass es Tausende solche Fälle täglich gibt, „Spritztouren“; die von Entwicklungshilfearbeitern, Beamten, Experten und Beratern ausgeführt werden, die sich vielleicht unterscheiden in Rasse, Nationalität, Religion, Beruf, Alter, Geschlecht, Sprache, Interessen, Vorurteilen, Bedingungen, unter denen sie arbeiten, und Erfahrung, aber die trotzdem zumindest drei Dinge gemeinsam haben: sie kommen aus einem städtischen Umfeld, sie wollen etwas „herausfinden“ und sie haben wenig Zeit.

Gebi Mair hat gesagt…

Ja klar gibts den Entwicklungshilfetourismus und das Sightseeing. Von den Hiltons und Co haben wir uns ausreichend fern gehalten denke ich - ich weiß bisher halt auch keine andere Methode, wie man mit vertretbarem Aufwand selbst halbwegs authentische Eindrücke von der Situation irgendwo erhalten soll, wenn nicht durch hinfahren. Was wäre die Alternative?

Anonym hat gesagt…

nicht hinfahren?
was man weiß, sollte für nicht wissenschaftliche zwecke wohl ausreichen, um den verzicht so einer reise gut zu begründen.