Sonntag, 1. Februar 2009

Keine leichte, aber eine falsche Entscheidung

Die Entscheidung, Johannes Voggenhuber eine Solidaritätskandidatur für die Europawahl zu verweigern hat sich bei den Grünen sicherlich niemand leicht gemacht. Das Ergebnis halte ich jedoch für eine falsche Entscheidung, und ich will kurz begründen, warum:

Johannes Voggenhuber wurde am Grünen Bundeskongress nicht gewählt. Unsere Spitzenkandidatinnen heißen deshalb Ulrike Lunacek und Eva Lichtenberger. Ich unterstütze diese Entscheidung. Voggenhuber hat jedoch in der Vertrauensabstimmung 86% der Stimmen erhalten. Das heißt, dass eine überwältigende Mehrheit grundsätzlich der Ansicht war, dass er ein wählbarer Kandidat für uns Grüne wäre.

Tatsächlich, eine Solidaritätskandidatur hätte bedeutet, dass er auch viel Platz in der Wahlkampfberichterstattung eingenommen hätte. Auch ohne Voggenhuber-Plakate und Voggenhuber-Vorzugsstimmenwahlkampf. Von vielen Frauen in der Partei hieß es, diese Konstellation sei aus feministischen Gründen nicht gutzuheißen. Ich bin inzwischen der Überzeugung, dass es feministisch gewesen wäre, ihn kandidieren zu lassen und mit ebenso feministischem Selbstbewusstsein von Ulrike Lunacek und Eva Lichenberger zu sagen: "Den schnupfen wir locker", was die Vorzugsstimmen angeht. Ich gehe sowieso davon aus, dass Voggenhuber nicht die notwendigen 7% an Vorzugsstimmen erreicht hätte.

Meine größte Befürchtung derzeit ist, dass wir die Europawahlen verlieren. Dann würde Voggenhuber nämlich wie ein Clown aus der Box springen und "ätschibätsch" rufen. Ich befürchte also, dass diese Entscheidung zwar nicht kurzfristig, aber langfristig eine Schwächung von Eva Glawischnig bedeutet.

Ich kann die Salzburger FreundInnen verstehen, die darauf hinweisen, dass Johannes Voggenhuber für ihren Erfolg bei der Landtagswahl ein wichtiger Faktor ist und bin der Ansicht, dass die Partei darauf Rücksicht nehmen hätte können.

Es ist falsch, Voggenhuber nun zum Märtyrer zu machen. Er bleibt nämlich, ungeachtet seiner vielen Verdienste um die Grünen, einer jener Silberrücken, die lieber gscheit kommentieren als sich rechtzeitig inhaltlich einzubringen. Gerade durch die Verweigerung der Kandidatur bringt man ihn in eine Position, die er eigentlich nicht verdient hat.

Ich habe aus diesen und vielen anderen Überlegungen im Erweiterten Bundesvorstand als Tiroler Delegierter für eine Kandidatur Voggenhubers gestimmt, bin jedoch mit 12:17 in der Minderheit geblieben. Damit muss ich auch leben, ich kann ja die Entscheidungen eines Parteigremiums, auch wenn ich sie für falsch halte, nicht einfach umstoßen. Wobei zu bemerken ist, dass es sich nur um eine vorläufige Entscheidung handelt, ihn nicht auf die Liste zu nehmen. Die endgültige Liste wird erst Anfang April eingereicht, und die Salzburger Grünen bestehen ja jetzt schon auf einem Platz für Voggenhuber als Salzburger Kandidat auf dieser Liste. Ich finde, dass sich Johannes Voggenhuber - ganz anders, als man es von ihm gewöhnt war - auch nach dieser Entscheidung mit der Partei solidarisch und loyal gezeigt hat, indem er deutlich gemacht hat, dass er selbstverständlich nicht gegen sein Grünes Projekt kandidieren wird.

Klar ist, dass eine Kandidatur Voggenhubers auch eine mediale Auseinandersetzung um die Grünen Positionen gewesen wäre. Diese Auseinandersetzung hätte allerdings nicht nur Voggenhuber, sondern auch Lunacek und Lichtenberger medialen Raum gegegeben. Nun haben wir eine mediale Diskussion, wo einer unverdient den Märtyrer spielen kann, und die Partei so dumm war, ihn auch noch zum Märtyrer zu machen. Die Auswirkungen scheinen mir derzeit kaum abschätzbar zu sein, aber ich berfüchte sie sind massiver, als manche jetzt noch glauben.

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Zu meiner Einschätzung, dass Voggenhuber sich auch nach seiner Nicht-Wahl fair verhält, passt folgendes heutige Statement von ihm: Tiroler Tageszeitung

11 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

der anfang vom ende der grünbewegung.

übrigens: titulieren sich die grünen parteiintern bereits als tiere (silberrücken)? da kann man sich nur mehr angewidert abwenden

Anonym hat gesagt…

@Silberrücken: Dieser Wechsel führt zu einer Wesensveränderung; soziale Qualitäten entwickeln sich und aus dem provozierenden, zum Teil in Junggesellengruppen lebenden Jugendlichen wird ein umsichtiger, verantwortungsvoller Silberrücken, der bei den Frauen Akzeptanz gewinnt. Ihm können sich nun erwachsene Töchter anderer Familien anschliessen. ... Zwei Silberrücken gibt es nur in einer grossen Familie. Chef ist aber immer der Älteste und er bleibt es auch bis zu seinem Tod.

Anonym hat gesagt…

alleine die Tatsache, dass offenbar die Geschlechterfrage in die Entscheidungsfindung eingeflossen ist, zeigt den Wahnsinn dieser Ereignisse.

Anonym hat gesagt…

Schade, dass es jetzt auch "die Grünen" geschafft haben unwählbar zu werden.

Ich war bisher vehemente Grün Wählerin, da gerade in Österreich nicht nur total alternative Bereiche abgedeckt wurden, sondern auch die Forderungen am Boden geblieben sind.

Es ist wichtig auch auf Stimmen der älteren Generation zu hören, nur der Übermut, aber in diesem Falle der Präpotenz von Führungskräften zu folgen, die den Kontakt zur Masse genauso verloren haben wie die Führungscrew der "Alteingesessenen" Parteien zeigt weder von Können, noch von Intelligenz noch von alternativer Lebensart.
Schade um die Partei, die schon seit Jahren ihre Besten hinausekelt und sich in abgeschauter Lebensart der anderen Politiker suhlt

Anonym hat gesagt…

Lieber Gebi,

ich bin froh zu sehen, dass Du die Situation voll durchgeblickt hast, nicht zu vergessen ist aber auch, dass Voggenhuber ein interessantes Vehikel gewesen wäre, um Kritik an der Parteiführung laut werden zu lassen, ohne gleich eine andere Partei zu wählen, wie es bereits zu VDB-Zeiten geschehen ist.

Diese Möglichkeit wurde dem Wähler nun genommen und die Glawischnig-Führung hat ein jähes Ablaufdatum bekommen.

Bis nach den Wahlen,
hannes

Anonym hat gesagt…

Ich bedauere die letzten Entwicklungen sehr und bin gespannt, wie es in den nächsten Wochen und Monaten weiter geht. Hier ein knapper Kommentar aus der Außensicht:
http://relationes.twoday.net/stories/5484826/

Anonym hat gesagt…

... und die Landessprecherin der Tiroler Grünen, Alexandra Medwedeff, hat als Tiroler Delgierte im Erweiterten Grünen Bundesvorstand für oder gegen Voggenhuber gestimmt?

Gebi Mair hat gesagt…

Mit ein bisschen Abstand von der Angelegenheit muss ich inzwischen auch sagen: Vielleicht war das irgendwann auch ein notwendiger Schritt, um den Generationswechsel bei den Grünen zu vollziehen. Nach dem Abgang von Van der Bellen musste irgendwann auch Voggenhuber gehen, wäre die Theorie dazu.

Ich bleibe trotzdem dabei, dass die Entscheidung und vor allem die Art, wie sie getroffen wurde, nicht richtig war - allerdings hoffe ich doch, dass manche die in einer ersten Wut nun ankündigen, die Grünen nicht mehr zu wählen, sich das doch noch einmal überlegen.

Anonym hat gesagt…

Ich habe ja das Ergebnis des Bundeskongresses schon für nicht gescheit gefunden - so sehr ich Ulrike Lunacek diesen Erfolg gönne, halte den EBV-Beschluss aber für eine völlige strategische Fehlleistung. Es ist dem EBV offenbar nicht darum gegangen, das Beste, Vernünftigste und strategisch Gescheiteste für die Partei zu wollen, sondern simpl um die Befriedigung von Rachegefühlen einiger beleidigter FunktionärInnen. Einen so brillianten, politischen Kopf wie Johannes Voggenhuber nur wegen gekränkter Eitelkeiten einiger in die politische Wüste zu schicken, nur weil er halt auch unbequem ist und sich traut, seine Meinung öffentlich zu sagen - und sicher dabei auch manchmal Fehler genacht hat - ist einfach den Ansprüchen und der Programmatik der Grünen unwürdig. Ich bin unendlich verärgert über diese ganze abgehobene FunktionärInnenkaste, die sich da in den letzten Jahren etabliert hat und noch nicht einmal weiß, wie man/frau Plakate klebt, aber ihre persönlichen Befindlichkeiten zum zentralen Kriterium ihrer politischen Entscheidungen zu machen versucht.
Traurig, traurig.

Anonym hat gesagt…

Dass die Grünen dadurch bei der EU-Wahl verlieren werden, ist klar: die EU-Wahlen haben immer eine geringe Wahlbeteiligung, das hat den Grünen genützt, die ihre WählerInnen immer motivieren konnten und damit überproportional gut abgeschnitten haben. Wenn nun viele WählerInnen zuhause bleiben und gleichzeitig die Rechten mobilisieren können, schadet das den Grünen doppelt. Sie erlangen weniger Mandate und die Rechte wird gewinnen. Schade, das war leicht auszurechnen und Eva G. war dabei heue auch im Report nicht überzeugend. Das Ende der Debatte kann sie intern schon fordern, aber, ob ihr die WählerInnen dabei folgen werden, ist zu bezweifeln.

Anonym hat gesagt…

interessant dieser eintrag des herrn mair. er zeigt das "demokratieverständis" der grünen. geradezu unglaublich sind die lächerlichen erklärungsversuche dieses mehr als unwürdigen schauspiels.
interessant auch, dass hier die über die medien durchgesickerten aussagen über silberrücken und ultrafeministinnen die keinen mann neben sich akzeptieren bestätigt wurden.
schade, dass die "grüne" idee in österreich derart verdreht und ins absurde geführt wurde.
ökologie? fehl am platz. ich erinnere nur an die forderung im nationaratswahlkampf, ja bitte keine kilometerabhängige pkw-maut einzuführen. dafür werden verdiente parteigründer auf die schäbigste art und weise rausgemobbt. wirklich schlimm!
ich hoffe die grünen werden bei den wahlen (nicht nur eu-wahlen) dafür so richtig abgestraft.
und ein wort an die sogenannte "basis": wenn ihr nicht aufpasst und die derzeitige parteispitze so schnell wie möglich austauscht, war's das mit eurer partei für die nächsten jahre.