Ich will mich gar nicht über die Details des ÖVP-Bildungspapiers auslassen. Das meiste davon ist einen Kommentar wirklich nicht wert. Nach dem jahrelangen absoluten Stillstand in der ÖVP in Bildungsfragen wird nun aber schon jeder Millimeter Bewegung wie eine Revolution abgefeiert. Mir geht es um etwas Grundsätzliches. Das ist der Kernsatz des ÖVP-Papiers:
"Für Erziehung und Bildung sind hauptsächlich die Eltern verantwortlich. Die Schule unterstützt die Eltern bei der Begleitung und Förderung ihrer Kinder. Diese partnerschaftliche Lösung soll in einer Bildungsvereinbarung festgeschrieben werden."
Der Satz stellt offenbar nicht nur eine Zustandsbeschreibung dar, sondern einen Wunsch: So soll es sein, wenn es nach der ÖVP geht. Manchmal muss man sich echt wundern, in welcher Welt die ÖVP lebt. Vermutlich gibt es irgendwo eine ÖVP-Parallelgesellschaft, in der es weder geschiedene Eltern noch Unverheiratete oder Verwitwete gibt. Es gibt auch keine Eltern, wo beide Elternteile in Schichtarbeit arbeiten müssen. Es gibt auch keine Familien, wo die Eltern selber nicht ordentlich deutsch können.
Wenn in Zukunft die Eltern für die Bildung der Kinder hauptverantwortlich sein sollen, dann verabschiedet man sich damit von der ausgleichenden Wirkung der Schule. Eigentlich sollte die Schule allen eine gute Ausbildung bieten können. Auch denen, wo die Eltern selbst nicht die Chance dazu hatten, ganz egal ob dies nun MigrantInnen aus Anatolien oder Hilfsarbeiter sind.
In der ÖVP verabschiedet man sich offenbar davon, dass es so etwas wie eine Gesellschaft überhaupt gibt, die bestimmte Aufgaben wahrnimmt, die die Familie nicht wahrnehmen kann oder soll. There is no such thing as a society wäre dann der nächste konsequente Schritt, der in der Entsolidarisierung und Vereinzelung mündet. Aber selbst den katholisch geprägten Wunsch, wonach es die nächste Generation einmal besser haben soll als man selbst ignoriert die ÖVP, wenn sie sich dagegen ausspricht, dass die Schule ausgleichend wirken soll. Das ist schon eine besondere Form der Arroganz und des Besitzstandswahrens der beati possedentes in der ÖVP: Wer hat, dem wird gegeben - das ist offenbar das neue Leitmotto der Volkspartei.
4 Kommentare:
logisch sind in erster linie die eltern für die erziehung ihrer kinder verantwortlich. wo is da das problem?
je institutioneller man ein kind erzieht, je eher wird es zum egoisten.
das mag für das berufliche fortkommen uu nicht schlecht sein - für die soziale entwicklung ist dies verheerend.
heute ist es doch vielfach so als müsste jemand von einer kinderkrippe das baby noch im spital abholen.
und das soll einmal eine generation werden, die sozial und menschlich wird? träum weiter.
allerdings gehörte die bildungspolitik schon längst bundeseinheitlich geregelt und bezirks- und landesschulräte ersatzlos abgeschafft. was passiert? trotz jahrelangem beteuern, die völlig unnötigen bezirkschulinspektoren endlich abzuschaffen nennt man sie einfach um und nennt sie jetzt manager. und das bei einem lehrpersonal, das von wirtschaft ungefähr gleich viel ahnung hat als ehemals ein bischöfliches st. pöltner weihnachtsgschnas von frauen...
Nicht nur Erziehung, sondern auch Bildung steht da ganz explizit
Sicher! Bei der Erziehung und Bildung meiner Kinder trage ich lieber selber die Verantwortung. Die Schule dient als Bindeglied und Ergänzung.
Wohin hast du gesehen bei deinen Reisen oder Exkursionen?
Welches Schulsystem schwebt dir vor???
Mir schwebt ein Schulsystem vor, das Defizite der Familien kompensieren kann und nicht auf diese zurück abschiebt und so tut, als ob das die Gesellschaft nichts anginge.
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