Montag, 15. Dezember 2008

Ein zweiter Blick auf TIMSS

Die TIMSS-Studie hat in den vergangenen Tagen viel Aufregung verursacht. Ich habe mir die Zahlen einmal ein bisschen genauer angeschaut, um mehr zu wissen als in den Zeitungen eben so veröffentlicht wird.


Wer genau nachlesen will, kann das in der Studie hier tun:

http://www.bifie.at/sites/default/files/publikationen/TIMSS_ergebnisse.pdf


Wichtige Erkenntnisse aus österreichischer Sicht sind für mich, dass Burschen bessere Leistungen erbringen als Mädchen, und dass die Unterschiede größer sind als in vielen anderen Ländern. Das bedeutet, dass wir am Konzept der Koedukation in Mathematik und Naturawissenschaften wieder einmal neu nachdenken müssen.


Außerhalb Europas bringen MigrantInnen häufig keine schlechteren Leistungen als Einheimische. Insbesondere in Zentraleuropa jedoch bringen MigrantInnen schlechtere Leistungen als Einheimische. Die schlechte Leistung der MigrantInnen wirkt sich jedoch nicht auf die Lernleistung der einheimischen SchülerInnen aus. Es kann also nicht gesagt werden, dass MigrantInnen das Niveau absenken.

Die zweite Generation von MigrantInnen ist besser als die erste Generation, aber nicht so viel wie eigentlich erwartbar wäre. Das bedeutet, dass das Schulsystem bisher Ungleichheiten nicht ausgleichen kann. Lediglich im Bereich der Naturwissenschaften gibt es eine starke Verbesserung bei den Leistungsschwachen von der ersten auf die zweite Generation.


16% der 9-10jährigen haben Migrationshintergrund. Davon sind 6% aus der ersten Generation, 10% aus der zweiten Generation. Das bedeutet, dass der Anteil an SchülerInnen mit Migrationshintergrund nicht höher ist als der Anteil in der Gesamtgesellschaft.


Bei den Leistungsschwachen ist jeweils deutlich mehr als die Hälfte einheimisch. Es kann also nicht gesagt werden, dass nur MigrantInnen leistungsschwach sind.

Verglichen mit anderen Ländern hat Österreich einen sehr hohen Zusammenhang zwischen der Anzahl von Büchern zu Hause und den schulischen Leistungen. Das bedeutet, dass die Schule in Österreich familiäre Umstände nicht so gut ausgleichen kann wie manche andere Länder. Die Bildungsfrage hängt also in Österreich auch in dieser Fragestellung stärker vom familiären Umfeld ab als in anderen Ländern, die soziale Selektion ist höher.


Die Studie kann wenig Zusammenhang zwischen einem hohen Ausmaß an Hausübungen und guten Leistungen feststellen. Mehr Hausübungen bedeutet also statistisch nicht bessere Leistungen, das bedeutet dass am System der Hausübungen konzeptiv neu nachgedacht werden muss.


In Österreich gibt es sehr wenig Unterrichtsbeobachtung von LehrerInnen in anderen Klassen uns sehr wenig Diskussionen mit anderen LehrerInnen über Unterrichtskonzepte. Das bedeutet, dass andere Länder bessere Formen der Zusammenarbeit zwischen LehrerInnen gefunden haben als Österreich.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Danke für den Link. Es ist sehr aufschlussreich, zu sehen, wie die Fakten hinter dem ganzen medialen Geschrei aussehen.

Buben haben einen Vorsprung von 16 Punkten. Das ist nur ein Siebtel einer Standardabweichung. Also vergleichbar zu zwei Punkten bei einem IQ-Test oder 1cm Unterschied in der Körpergröße. Also irrelevant.

Bei der PISA-Studie lagen die Burschen um 50 Punkte bei der Lesekompetenz hinten. Das ist schon mehr, aber auch nicht dramatisch.

Der Sinn der Koedukation ist es, keine Geschlechterappartheid zu haben und nicht die Leistungen von Burschen und Mädchen in jedem Gebiet auf die x-te Kommastelle anzugleichen.

-
dieter