Freitag, 23. Oktober 2009

Zentralasien im Spiel der Weltmaechte und mehr

Gestern Nachmittag hatten wir ein sehr spannendes Gespraech mit einem Politikwissenschaftler aus Taschkent, der sich mit der geopolitischen Rolle Zentralasiens beschaeftigt. Er erklaerte die klassischen geopolitischen Modelle, die Zentralasien als Herzland definieren und auch die neueren kritische Ansaetze der Geopolitik fuer Zentralasien. Er plaedierte fuer eine regionale Kooperation der fuenf zentralasiatischen Staaten, weil diese einzeln nicht in der Lage seien, mehr als nur Bruecke zwischen den Weltmaechten, Cordon Sanitaire zwischen ihnen oder Pufferzone dazwischen zu sein. An Beispielen aus den vergangenen Jahren erlaeuterte er den Mechanismus, in den Zentralasien zwischen den USA, Russland, China und Europa geraten ist. Er nennt dies das dritte Great Game um Zentralasien. Man koenne jedoch auf eine gemeinsame Geschichte Turkestans bis 1924 verweisen, das sollte die Integration einfacher machen. Zu einer spannenden Diskussion kam es rund um das Thema Afghanistan. Er geht davon aus, dass die Zahlen ueber die Taliban und die von ihnen kontrollierten Gebiete stark uebertrieben sind und die ISAF-Mission eigentlich deutlich erfolgreicher als allgemein angenommen.

Bei einer Diskussion über Geopolitik in Zentralasien


Abends waren wir in der Taschkenter Oper und sassen fuer 5000 Sum, etwa 2 Euro in der fuenften Reihe. Es handelte sich um die lustigste Auffuehrung des Barbiers von Sevilla, die ich je gesehen habe. Ueber die musikalische Qualitaet kann man streiten, aber jedenfalls war die Oper beste Unterhaltung.

Heute schliesslich waren wir bei der deutschen GTZ zu Gast, die ein von Frank-Walter Steinmeier ins Leben gerufenes Wasserprojekt fuer Zentralasien koordiniert. Dabei konnten wir vieles ueber die Wassernutzungskonflikte in Zentralasien (Energie am Oberlauf versus Bewaesserung am Unterlauf) und die Probleme der Bauern nach dem Ende der Kollektivlandwirtschaft erfahren. Die Bewaesserungsanlagen sind natuerlich auf Kolchosen ausgerichtet, und wenn diese nun in einer Landreform auf 100 und mehr Bauern aufgeteilt werden, entsteht eine Reihe lokaler Konflikte (wer ist ganz vorne an der Bewaesserung, wer ganz hinten, wer kennt denjenigen am besten, der ueber die Bewaesserung entscheidet), die erst geloest werden muessen. Auch unsere Frage nach der Eigentuemerschaft der Baumwollfelder wurde geklaert: Das Eigentum am Boden ist nicht entscheidend, weil es eine staatliche Preiskontrolle gibt. Bis 2004 arbeitete diese Preiskontrolle zu Gunsten der Regierung und zu Lasten der Bauern, mit dem Fall der Weltmarktpreise hat sich das System umgedreht.

Hier werden Manty gekocht, eine traditionelle uskekische Speise mit Hackfleisch


Heute Abend geht es noch in ein russischsprachiges Theater in Taschkent, das Bert Brecht spielt, und anschliessend geht schon wieder das Flugzeug zurueck. Ich habe so manches in den vergangenen 14 tagen aus der Ferne nur bruchstueckhaft mitbekommen und bin schon gespannt, wie es aus der Naehe aussieht...

Keine Kommentare: