Manchmal gibt es politische Themen, die mir so richtig an die Nieren gehen. Das sind vor allem Themen, von denen Menschen betroffen sind die nicht auf die Butterseite des Lebens gefallen sind. Die Mindestsicherung ist so ein Thema.
Seit eineinhalb Jahren wurde in Österreich rund um die Mindestsicherung diskutiert. Ausgehend von einer Kampagne der ÖVP Niederösterreich wurde die Mindestsicherung diskreditiert und so dargestellt, als ob Menschen hier völlig zu Unrecht ein Luxusleben führen könnten. Die Fakten haben bald niemanden mehr interessiert: etwa, dass Mindestsicherung nur derjenige beziehen kann, der über kein eigenes Vermögen mehr verfügt - weder auf dem Bankkonto noch in Form eines Autos. Der gesellschaftliche Druck wurde immer höher, und wo man hinkommt schlug einem der Wind der Kürzungen ins Gesicht.
Die Pröll-Regierung in Niederösterreich schlug dann einen Pflock ein, indem sie Flüchtlingen die Mindestsicherung radikal kürzte, und die schwarzblaue Koalition in Oberösterreich doppelte auf, indem sie allen Flüchtlingen die Unterstützung so weit strich wie nur irgendwie möglich - ohne dabei auch nur verfassungsrechtliche oder sonstige Grundsätze Rücksicht zu nehmen.
Tirol hat eine erfolgreiche Mindestsicherung: die höchsten Mindestsicherungssätze pro Person, aber die niedrigste Bezugsdauer. Das bedeutet, dass es mit der Tiroler Mindestsicherung gelingt, Menschen wieder in eigenständige Arbeit zu bringen, aus der sie sich selbst erhalten können. Trotzdem wurde auch hierzulande der Druck immer höher, hauptsächlich aus Unzufriedenheit der Menschen über zu niedrige Einkommen. Wir haben versucht gegenzusteuern, indem wir die niedrigen Löhne thematisiert haben. Höhere Löhne kann die Politik aber nicht so einfach verordnen. Dazu braucht es starke Gewerkschaften, und hier gibt es in Tirol - im Handel und im Tourismus insbesondere - Nachholbedarf.
Der Druck wurde auf unterschiedlichen Seiten immer höher, nicht nur bei uns Grünen. Ich habe viele Nächte schlecht geschlafen. Da lagen Forderungen auf dem Tisch nach generellen Deckeln, nach Kürzungen bei allen Flüchtlingen und noch vieles mehr, das ich hier gar nicht alles nacherzählen möchte. Auffallend in vielen Gesprächsrunden in vielen unterschiedlichen Gremien war, dass auf der Seite derjenigen, die die Mindestsicherung kürzen wollten überwiegend Männer waren und auf der Seite derjenigen, die die Sache differenziert sahen stärker Frauen.
Gestern haben wir als schwarzgrüne Koalition ein differenziertes Modell zur Tiroler Mindestsicherung vorgelegt, das dem Sturm aus Ostösterreich Stand gehalten hat: es wird keinen Deckel geben, es wird keine Wartefristen geben, es wird keine generellen Kürzungen für Flüchtlinge geben und was da sonst noch alles in Verhandlung war. Tirol steht weiter für ein Netz an sozialer Sicherheit, durch das niemand fallen soll.
Wir haben ein Modell mit differenzierten Anpassungen vorgelegt, um dennoch einen Kostendämpfungspfad zu erreichen. Dazu gehört, dass wir eine genauere Bestimmung darüber aufgenommen haben, wann eine sogenannte Bedarfsgemeinschaft anzunehmen ist. Kurz gesagt: Familien galten bei uns immer schon als Bedarfsgemeinschaften. Wenn aber beispielsweise zwei Erwachsene gemeinsam eine Wohnung nehmen, die gegenseitig nicht unterhaltsverpflichtet sind dann ist man bisher davon ausgegangen, dass sie nicht gemeinsam wirtschaften. Das wird in vielen Fällen allerdings nicht stimmen. Wir gehen deshalb zukünftig aus, dass es zumutbar ist wenn eine Bedarfsgemeinschaft gemeinsam wirtschaftet und damit auch die niedrigeren Sätze für Bedarfsgemeinschaften anwendbar sind.
Auf der anderen Seite bleiben wir bei der Tiroler Mindestsicherung dort besser als alle anderen Bundesländer, wo es besonders wichtig ist: Kinder, Menschen mit Behinderungen, Alleinerziehende, Menschen mit dauerhaften Erkrankungen oder MindestpensionistInnen erhalten in der Mindestsicherung auch weiterhin ein kleines finanzielles Zubrot, mit dem sich sich außertourlich einmal etwas leisten können: einen Schulausflug, Pflegeprodukte oder sei es auch nur Erleichterung bei der Bedienung von Schulden. Für Kinder wird es außerdem eine kleine Verbesserung geben, indem das Tiroler Kindergeld+, das bisher bei MindestsicherungsbezieherInnen nicht zur Auszahlung gelangt ist nun auch tatsächlich ausbezahlt wird.
Wiederum auf der anderen Seite soll es möglich werden, MindestsicherungsbezieherInnen Wohnungen zuzuweisen, wenn sie auf der Suche nach Wohnraum sind. Das kann ein sehr hilfreiches Instrument sein, Wohnraum tatsächlich zur Verfügung zu stellen und andererseits kann es auch dazu dienen, die Kosten für die Mietunterstützung durch die öffentliche Hand zu senken. Ich bin sehr gespannt, wie sich dieses Instrument entwickeln wird.
Bei Menschen, die ihre Mitwirkung in der Mindestsicherung verweigern - beispielsweise indem sie AMS-Termine nicht wahrnehmen oder ähnliches - wird es in besonders schwerwiegenden Fällen zukünftig hingegen möglich sein, die Übernahme des Lebensunterhaltes nicht nur um 50% zu kürzen wie bisher sondern sogar um bis zu 66%. Bei Kindern wird es am dem dritten Kind eine regressive Staffelung geben, und für die Übernahme der Wohnkosten soll es künftig einen Deckel geben, der sich am Immobilienpreisspiegel für den jeweiligen Bezirk orientiert. Wiederum auf der anderen Seite wird die Unterstützung für die Inanspruchnahme von Deutschkursen verbessert, und das Pflegetaschengeld für Menschen in Pflegeeinrichtungen soll erhöht werden.
Kurzum: es waren intensive Monate mit harten Verhandlungen die mir persönlich wirklich an die Nieren gegangen sind. Begleitet von einem medialen Trommelfeuer an Desinformation ist es uns in Tirol dennoch gelungen, ein differenziertes Paket für eine abgesicherte Mindestsicherung zu schnüren. Ein Danke an alle, die sich auf Seiten der Schwachen in unserer Gesellschaft dafür einsetzen, unser soziales Netz weiterhin engmaschig zu halten!